Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Machtkampf auf Kosten des Bayerwaldes?

Das Aus für ein eigenes niederbayerisches Verwaltungsgericht offenbart, wie CSU und Freie Wähler ihre Kräfte messen

09.05.21 –

Warum die Entscheidung für ein eigenes Verwaltungsgericht in Freyung nicht zustande kam, ist noch nicht ganz klar: Jedenfalls konnte man sich am Montag im Koalitionsausschuss von CSU und Freien Wählern nicht auf einen Standort einigen. Warum aber ließ man das Projekt ganz platzen?

Wer in die Regierungsparteien hineinhorcht, hört auf Seite der CSU, die Freien Wähler hätten als Standort gerne Grafenau statt Freyung gehabt, weil sie da einen eigenen Bürgermeister hätten. Und wer bei den Freien Wählern hineinhört, erfährt dafür insoweit Bestätigung, als sie Grafenau für den besseren Standort halten, aber dort gebe es aus Sicht der CSU "den falschen Bürgermeister". Sandkastenstreit? Jedenfalls lässt derlei Gebaren darauf schließen, dass sich CSU und Freie Wähler – offensichtlich auf Kosten des Bayerwaldes – einen Machtkampf liefern, nach dem Motto: Wenn du meines blockierst, dann blockiere ich deines.

Der CSU jedenfalls ist schon seit längerem aufgefallen, dass die Freien Wähler in Niederbayern ziemlich Gas geben – wie Ende März ja auch eine Umfragen der Initiative "Ostbayern sieht schwarz" spektakulär gezeigt hat: Demnach wäre die CSU in Ostbayern auf 33 Prozent gekommen – 6,2 Punkte weniger als bei der Landtagswahl 2018. Die Freien Wähler hingegen hätten 20 Prozent erreicht – 5,8 Punkte mehr als bei der Landtagswahl. Die Entscheidung für ein eigenes niederbayerisches Verwaltungsgericht platzen zu lassen, um den Grund dafür dem politischen Rivalen und gleichzeitig Koalitionspartner in die Schuhe zu schieben, wäre zumindest naheliegend.

Und was sagt die Opposition? Der Passauer SPD-Landtagsabgeordnete und Jurist Christian Flisek spricht von einer "enttäuschenden Nachricht für Niederbayern". Auch als Passauer hätte man sich über ein eigenes Verwaltungsgericht in Freyung gefreut. "Es ist nicht akzeptabel, dass die ursprüngliche Zusage für den Standort Freyung nun aufgrund von Streitigkeiten zwischen CSU und Freien Wählern zurückgenommen wird. Das Schwarze-Peter-Spiel von CSU und FW bringt uns nicht weiter. Beide tragen als Regierungsparteien Verantwortung für diese Entscheidung. Anstatt das Projekt völlig zu begraben, hätte ich von Ministerpräsident Söder und vom niederbayerischen Vizeministerpräsidenten Aiwanger erwartet, dass gemeinsam ernsthaft nach einem neuen Standort gesucht wird", sagte Flisek. Denn eines stehe für ihn fest: "Dass wir auch in Niederbayern ein eigenes Verwaltungsgericht brauchen. Ich werde mich als Abgeordneter weiter hierfür einsetzen."

Heftige Kritik kommt diesbezüglich auch vom Grünen-Landtagsabgeordneten Toni Schuberl, ebenfalls Jurist: "Dieses Durcheinander ist das Ergebnis einer sehr unprofessionellen Vorgehensweise Söders. Er hat auf einer CSU-Parteiveranstaltung Beschlüsse gefasst, ohne all jene vorher gesprochen zu haben, die es angeht. Er hat nicht einmal mit dem Koalitionspartner gesprochen. Er hat nicht mit dem Landtag gesprochen, der das ja beschließt. Er hat nicht mit den Richtern gesprochen, die eben keine nachgeordnete Behörde sind, sondern die unabhängige dritte Gewalt. Er hat nicht mit den Verantwortlichen vor Ort gesprochen", bemängelt er das Zustandekommen der von Söder im vergangenen Frühjahr auf der CSU-Landtagsklausur in Kloster Seeon gemachten Ankündigung. "Wenn man so bedeutende Themen einfach aus der Hüfte schießt, um eine gute Schlagzeile zu bekommen, dann kommt so ein Krampf raus", sagte Schuberl.

Zwar ist er der Überzeugung, dass sich das Verwaltungsgericht "nicht gut für eine Verlagerung nach Freyung" eigne, "aber wir dürfen in Freyung-Grafenau jetzt nicht leer ausgehen. Wir brauchen dringend mehr Arbeitsplätze für Akademiker. Die 40 versprochenen Arbeitsplätze, die das Verwaltungsgericht gebracht hätte, müssen jetzt auf eine andere Weise nach Freyung-Grafenau verlagert werden". Er erwarte jetzt, "dass die örtlichen Abgeordneten mit einer Stimme sprechen und dass auch der Landkreis mit einer Stimme spricht und sich nicht wieder die drei Städte Grafenau, Freyung und Waldkirchen untereinander bekämpfen."

Auch der Freyunger FDP-MdL Alexander Muthmann übt heftige Kritik – und zwar gleichermaßen an Freien Wählern wie CSU: "Wir erleben gerade das Gegenteil von zielstrebiger Regionalpolitik: Beide Koalitionspartner behaupten pressewirksam, in Niederbayern ein Verwaltungsgericht gründen zu wollen – und dann scheitert es an der Frage Freyung oder Grafenau. Da ist der Profilierungswille deutlich stärker als der Gestaltungswille." Und wie viele in der Region fordert er jetzt Kompensation: "Wenn das Gericht jetzt in Regensburg bleiben sollte und alles nur Show und haltlose Ankündigung war, muss die Region eine andere Behörde mit qualitativ und zahlenmäßig entsprechenden Arbeitsplätzen als Ausgleich bekommen." Die Region dürfe sich "nicht wieder hinhalten oder gar abspeisen lassen. Auf das Polizeiausbildungszentrum warten wir auch schon seit Juli 2016. Da ist bisher kein Grundstück verbrieft und kein Plan veröffentlicht."− Fotos: pnp

Quelle: Passauer Neue Presse vom 06.05.2021
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Kategorie

Justiz

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