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26.01.20 –
Wenn gebaut wird, gibt es Naturschutzauflagen, wird Fläche versiegelt, soll das an anderer Stelle wieder gutgemacht werden – und zwar mit Ausgleichsflächen. So weit die Theorie. Denn ob und in welcher Qualität die geforderten Ausgleichsflächen dann auch tatsächlich realisiert werden, wird in vielen Fällen nicht überprüft. Eine Übersicht über die Ausgleichsflächen für Baumaßnahmen des Landkreises gibt es nicht. Das bemängelt der Grünen-Landtagsabgeordnete Toni Schuberl, der sich darüber eine schriftliche Auseinandersetzung mit Landrat Franz Meyer geliefert hat.
Seine erste Anfrage bezüglich der landkreiseigenen Ausgleichsflächen hat Schuberl bereits im Mai vergangenen Jahres gestellt. In einer knappen Antwort des Landrats vom November heißt es, eine Liste zu Ausgleichsmaßnahmen für Baumaßnahmen des Landkreises führe die Landkreisverwaltung nicht. "Eine Verpflichtung dafür besteht nicht", schrieb darin Landrat Franz Meyer an den Abgeordneten Toni Schuberl.
Schuberl wiederum wunderte sich – in einer Mail an den Landrat – über die "etwas karge Antwort" und äußert seine Bedenken dazu, dass das Landratsamt offensichtlich keinen Überblick über die eigenen Ausgleichsflächen habe. Der betreffende Schriftwechsel liegt der PNP vor.
Das nun forderte den Landrat zu einem weiteren Schreiben heraus, in dem er sich verwundert darüber zeigte, dass Schuberl aus dem Fehlen einer Liste schließe, die Landkreisverwaltung habe keinen Überblick über die Flächen. Schuberls "Mutmaßungen" bezeichnete der Landrat als "bedenklich".
Nachdem Schuberl aber auf seine nochmals konkretisierte Nachfrage vom November, wie der Landkreis ohne eine Übersicht über die eigenen Ausgleichsflächen diese überwachen und pflegen könne, nach eigenen Angaben bis heute keine aussagekräftige Antwort bekommen hat, machte er die Korrespondenz nun öffentlich. "Mir scheint es, als würde hier ein unliebsames Thema unter den Teppich gekehrt", heißt es im Schreiben des Landtagsabgeordneten an die PNP.
"Nicht einmal die eigenen Ausgleichsflächen werden übersichtlich erfasst", kritisiert Schuberl. "Es ist schon ein starkes Stück, bei gemeindlichen Ausgleichsflächen auf die Gemeinden zu zeigen, obwohl das Landratsamt Aufsichtsbehörde ist, und dann bei den eigenen Flächen ebenfalls jede Verantwortung von sich zu weisen," schreibt er.
Konfrontiert mit Schuberls aktueller Stellungnahme, heißt es aus dem Landratsamt: "Toni Schuberl fordert mit einer Auflistung der Ausgleichsflächen einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand, für den es weder eine gesetzliche Grundlage noch eine praktische Veranlassung gibt." Landrat Franz Meyer lässt sich mit den Worten zitieren: "Statistiken nutzen der Natur nichts." Er stelle sich schon die Frage, ob man mit derartig sinnlosen Forderungen der Grünen in der Praxis tatsächlich wirksame Naturschutzmaßnahmen auf den Weg bringen könne, so Meyer. Der Landkreis Passau setze seine maßnahmenbezogenen Ausgleichsmaßnahmen zuverlässig um und nutze dazu insbesondere das Ökokonto mit der Betreuung durch den Landschaftspflegeverband, beauftrage Fachbüros oder pflege die Flächen selbst durch die Straßenmeisterei der Kreisstraßenverwaltung.
"Es ist eine Unterstellung, dass der Landkreis das Thema Ausgleichsflächen unter den Teppich kehrt", lässt Meyer mitteilen. "Nicht wir zeigen auf die Gemeinden, sondern MdL Schuberl versucht seit geraumer Zeit, die Gemeinden – und nun auch den Landkreis – an den Pranger zu stellen."
Man spüre aus der Reaktion des Landrats genau heraus, welchen geringen Stellenwert der Schutz von Landschaft und Biotopen derzeit im Landratsamt habe. Hier müsse sich dringend etwas ändern, fordert Schuberl. Er fordere den Landkreis Passau auf, jede Ausgleichs- und Ersatzfläche, die der Landkreis selbst anlegen musste, in einer Liste aufzuführen, den Bestand zu prüfen und die Pflege regelmäßig durchzuführen. "Das ist eine gesetzliche Verpflichtung, die endlich ernst genommen werden muss", betont der Grünen-Abgeordnete.
"Schuberl hat mit seiner Forderung recht", sagt Karl Haberzettl, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Passau. "Ich kann ihn nur bitten, dranzubleiben." Eine Auflistung der Ausgleichsflächen sei sinnvoll. "Die Ausgleichsflächenregelung selbst begrüße ich sehr", betont Haberzettl. "Das Problem dabei ist aber, dass das zwar auf dem Papier steht, aber nicht überprüft wird." Haberzettl bezieht sich mit diesem Vorwurf auch auf eine Untersuchung der Universität für Bodenkultur in Wien, die anhand des Beispiels vom Landkreis Passau die Erfolgskontrolle von Ausgleichsflächen untersucht und ein schlechtes Zeugnis ausgestellt hat. Der Soll-Ist-Vergleich habe ergeben, so die Studie, dass ohne eine Kontrolle die Umsetzungsrate und die Qualität von Ausgleichsmaßnahmen im Landkreis Passau "erschreckend gering" seien. Bei den geprüften Ausgleichsflächen seien 44 Prozent nicht umgesetzt worden.
"Da liegt vieles im Argen. Vieles wird einfach nicht gemacht, weil schlichtweg die Kontrolle fehlt", bestätigt Haberzettl. Das sei allerdings seiner Erfahrung nach nicht nur im Landkreis Passau ein Problem, sondern bayernweit in fast allen Kommunen. Er will nun anhand eines Projekts in einer Landkreisgemeinde einen Überblick über die dortigen Ausgleichsflächen schaffen. Überprüft werden soll dort, ob es die Ausgleichsflächen überhaupt gibt, welche Auflagen dafür bestehen und in welchem Zustand die Ausgleichsflächen sind. Von dem Ergebnis verspricht er sich viel: "Damit wollen wir Druck auf die politische Ebene machen, ohne einzelne anzuklagen. Es fehlt an zuständigem Personal, das die Umsetzung der Auflagen überprüft – denn Papier allein ist geduldig."
"Dann haben wir wiederein Stück Bürokratie mehr"Landrat Franz Meyer macht seinem Unmut in der Stellungnahme gegenüber der PNP Luft: "Wenn Herr Schuberl die gesetzlich vorgesehenen Dokumentationen als nicht ausreichend empfindet, dann muss er eine entsprechende Gesetzesänderung anstreben", heißt es in dem Schreiben aus dem Landratsamt. "Dann haben wir halt wieder ein Stück Bürokratie mehr, das die Verwaltung noch weiter aufbläht, die Prozesse verlangsamt und unterm Strich nichts bringt."
Quelle: Passauer Neue Presse vom 23.01.2020
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