Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Wie wertvoll sind die 18 Hektar Bannwald wirklich?

Sehr wertvoll für Natur und Menschen, sagen zwei Neuburger Landschaftsökologen– "Bürgerbewegung" lud zum Rundgang mit Experten ein

20.09.19 –

Knapp hundert Teilnehmer folgten der Einladung der "Bürgerbewegung Neuburger Wald", um sich am Wochenende die geplante Rodungsfläche des Bannwaldes im Neuburger Wald anzuschauen. Über den Wald ist kontrovers diskutiert worden, seit die Firma Brummer ihre Erweiterungspläne bekannt gegeben hat. Die Neuburger Landschaftsökologen Dorothee Hartmann und Thomas Herrmann führten in die Ökologie des in Rede stehenden Waldstücks ein. Das schreiben sie in einer Mitteilung an die Presse.

Um sich ihre Ausführungen zu Bedeutung und Beitrag des Waldstücks zum Schutz von Lebensräumen und Tier- und Pflanzenarten, zum Klimaschutz und als Naherholungsgebiet für die umliegenden Ortschaften wie die Stadt Passau anzuhören, waren auch Bürgermeister Wolfgang Lindmeier, 3. Bürgermeisterin Sieglinde Hofreiter-Scheibenzuber, die Neuburger Gemeinderäte Hans Eibl (Grüne), Eike Hallitzky (Grüne), Alois Meier (Bürgerliste), Joachim Eder und Ursula Raida (beide SPD) gekommen.
Die Gemeinderäte Eike Hallitzky und Joachim Eder begrüßten die Teilnehmer. Hallitzky betonte, dass es nicht reiche, beim Klimaschutz immer nur auf die anderen zu zeigen. Unter dem Beifall der Anwesenden sagte er: "Den Klimaschutz ernst nehmen, das heißt, dass wir dort, wo wir leben, auch konkret Verantwortung für unsere Lebensgrundlagen übernehmen. Deshalb: Keine Rodung der 18 Hektar des Neuburger Waldes, der aus Klimaschutzgründen zum Bannwald erklärt wurde. Unser Wald darf nicht für die Geschäftsinteressen eines Logistikunternehmens geopfert werden."
Die Landschaftsökologen Dorothee Hartmann und Thomas Herrmann, die das Vorhaben selbst strikt ablehnen, erklärten mit detailliertem Fachwissen Hintergrundinformation, die aus ihrer Sicht klar macht, dass der Wald hohen Wert für die Natur und für uns Menschen besitzt und die eine Rodung und das Abgraben der Flächen absolut ausschließen, wie sie erklärten. Jeder Wald, sei es Naturwald oder Wirtschaftswald, bestehe immer aus mosaikartig verteilten Flächen unterschiedlichen Entwicklungsalters, erklärte Hermann. Dazu gehören immer auch Flächen, auf denen gerade keine Altbäume stehen. Im Naturwald brechen Altbestände zusammen, auch durch Windwurf; in Buchenwäldern in kleineren Teilflächen, in Nadelholzbeständen auf größeren Flächen. In Wirtschaftswäldern werden diese Prozesse nachgeahmt. "Diese Verjüngungsflächen sind wichtiger Bestandteil des Waldes, da hier der zukünftige Wald aufwächst", so Herrmann.

Die Tier- und Pflanzenwelt ist auf Lichtungen angewiesen, da viele Waldarten zwischen dichtem Wald und Lichtungen oder Waldrändern hin und her wechseln. Zum Beispiel benötigen einige Spechte dichte Altholzbestände zur Brut, hingegen Waldränder und Lichtungen zur Nahrungssuche. Eine herausragende Rolle spielen derartige Lichtungen für Reptilien, erklärte der Landschaftsarchitekt. Weiter erläuterte Herrmann, dass die unterirdische Biomasse der Wälder sehr groß ist und teilweise die oberirdische übertrifft. So hat ein untersuchter, etwa 120-jähriger Laubmischwald in der oberirdischen Biomasse rund hundert Tonnen Kohlenstoff pro Hektar gespeichert, unterirdisch dagegen 120 Tonnen pro Hektar. "Böden sind weltweit die größten terrestrischen Kohlenstoffspeicher", erklärte der Fachmann.

Vor Ort schauten sich die Teilnehmer den Baumbestand der 18 Hektar an: Auf großen Flächen des Gebiets ist mittlerweile aus Naturverjüngung ein geschlossener Jungwald entstanden, dessen Alter etwa 20 bis 30 Jahre betragen dürfte. Diese Jungwälder enthalten in hohen Anteilen Rotbuchen, sowie auch Stieleichen und Tannen neben anderen Baumarten. "Die im Gebiet natürlicherweise wachsenden Buchen-Tannen-Wälder zeigen ihren größten Zuwachs im Alter von ca. 30 bis 40 Jahren, also der Altersphase, in die die besichtigten Jungwälder gerade einwachsen. Die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre ist in diesem Alter am größten, während alte Wälder konstante Speicher darstellen", so Herrmann. Verjüngungsstadien aus den letzten Windwürfen werden zunehmend in diese Phase einwachsen. "Die Wälder zeigen also auch jetzt, trotz der offensichtlichen Folgen der Windwürfe, im größten Teil erhebliche Bedeutung für CO2-Speicherung bzw. für die laufende Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre."
Im Gebiet stehen laut den Landschaftsökologen zahlreiche Mutterbäume zur Verfügung, somit besteht hohe genetische Vielfalt, die in Pflanzungen nie entstehen kann, so dass Aufforstungen unter den Bedingungen des Klimawandels die Stabilität und Sicherheit von Naturverjüngungen auf bestehenden Waldböden niemals erreichen können. Eine Aufforstung auf einem Acker erreiche frühestens nach 30 bis 40 Jahren etwa den gleichen Gehalt an gespeichertem Kohlenstoff im Boden wie die bestehenden Wälder. Aufforstungen auf künstlich geschütteten Standorten dagegen benötigen zumindest 60 Jahre.
Schließlich wurde die landschaftliche Situation, die sich auch aus den geologischen Verhältnissen ergibt, erläutert. Das Gebiet umfasst eine Kuppe, die aus Tertiärkiesen- und Sanden aufgebaut ist, die im Neuburger Wald nur einige Kuppen einnehmen. Die Waldstandorte über diesen Kiesen sind relativ arm, wie am Beispiel eines Kiefernbestands mit Heidelbeere und Faulbaum, beides charakteristische Magerkeitszeiger, erklärt wurde. Nährstoffarme Standorte unterliegen heute dem ständigen Stickstoffeintrag über den Luftweg – wie unsere gesamte Landschaft. Derartige, an nährstoffarme Verhältnisse gebundene Lebensgemeinschaften neu zu entwickeln, ist heute daher nahezu unmöglich, zumal es sich bei den fraglichen Standorten um jahrhundertealte Waldstandorte handelt mit entsprechenden Lebensgemeinschaften.
Hartmann führte weiter aus, dass der Waldbestand eine hohe Bedeutung für Fledermausarten, Haselmaus und die Vogelwelt besitzt. "Untersuchungen zur Brummererweiterung 2012 ergaben, dass von den in Bayern vorkommenden 21 Fledermausarten alleine 14 Arten, also 66 Prozent, hier nachgewiesen wurden", erklärte Hartmann. Sie wies zudem auf den Verlust von Naherholungsfläche hin. So würde der von Radlern als Arbeitsweg und von Spaziergängern gern genutzte Forstweg zur Hälfte ins Gewerbegebiet einbezogen. "Damit wird die Verbindung zerstört", erklärte sie. "Durch dem vom Lkw-Verkehr und den Kühlaggregaten ausgehenden Schall verlärmen zudem alle angrenzenden Waldstücke und werden für eine wirksame Erholung völlig entwertet."
Unter starkem Beifall der Mitspaziergänger forderte Dorothee Hartmann mit Blick auf die beiden anwesenden Bürgermeister die Gemeinde auf, das Bauleitplanverfahren "GE Brummer-Schmelzing" rasch einzustellen. "Der Gemeinderat kann aufgrund seiner Planungshoheit den Abbruch des Verfahrens jederzeit beschließen", sagte sie. 

Quelle: Passauer Neue Presse vom 18.09.2019
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Kategorie

Umwelt

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