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01.03.21 –
Beutelsbach. Die Arbeiten an der alten Kiesgrube in Klessing sind gestoppt. Das Landratsamt Passau teilte mit, dass die Arbeiten solange ruhen müssten, bis Klarheit darüber besteht, ob die Betriebsgenehmigung der Anlage wegen der jahrelangen Ruhezeit noch gültig ist. Naturschützer üben nun Kritik an der Behörde und sagen: "Hier wurde eine Chance vertan."
Zur Vorgeschichte: Der Betreiber hat in Klessing kürzlich auf dreieinhalb Hektar Fläche Gehölz abgeräumt, Aushub aufgeschüttet und Wege trassiert. Anwohner waren darüber entsetzt: Die Kiesgrube habe sich innerhalb der vergangenen 20 Jahre in ein Biotop verwandelt. Die Grünen-Kreisrätin Halo Saibold spricht in einer Pressemitteilung von "Frevel an der Natur", den das Landratsamt rechtzeitig hätte stoppen müssen.
Landratsamtssprecher Werner Windpassinger erklärt dazu erneut, dass die Gehölz-Entfernung naturschutzfachlich nicht zu beanstanden sei. Die Untere Naturschutzbehörde habe dies überprüft, es gebe keinen Rechtsgrund für eine Baueinstellung.
Grund für den vorläufigen Stopp ist ein anderer: "Nachdem der Kiesgrubenbetreiber begonnen hat, auch an den Steilhängen zu arbeiten und rechtlich derzeit nicht klar ist, ob eine Genehmigung zum Betrieb der Kiesgrube derzeit vorliegt bzw. schon erloschen ist, wurde am Donnerstag dem Betreiber die Beendigung der Arbeiten nahegelegt", erklärt Windpassinger. Das habe der Betreiber zugesichert, eine Kontrolle noch am selben Tag habe die Einstellung der Arbeiten bestätigt.
Das Landratsamt überprüfe derzeit die Genehmigungssituation. Es habe den Betreiber aufgefordert, notwendige Unterlagen zur Verfügung zu stellen und sein Vorhaben darzulegen. Sprecher Windpassinger: "Bis auf weiteres haben die Arbeiten in der Grube zu ruhen."
Ein Thema, das bei den Naturschützern hohe Wellen geschlagen hat. Vertreter vom Bund Naturschutz, Kreisgruppe Passau, und des Landesbundes für Vogelschutz haben nun zusammen mit Günter Weber, Ingenieur für Landespflege, zum Thema Stellung genommen. "Was nützen die Gesetze zum Schutz der Natur und damit auch unserer Lebensgrundlagen, wenn im Ernstfall das Baurecht die einzige Möglichkeit sein soll, Biotopzerstörung im großen Stil zu stoppen? Und dann dem Betreiber ,nahegelegt‘ werden muss, die Arbeiten einzustellen, wie die Aussage des Landratsamt-Sprechers lautet", heißt es in der Mitteilung. "Unverständlich ist die naturschutzfachliche Einschätzung der Situation", schreiben Helgard Gillitzer vom Bund Naturschutz, Dr. Andreas Pontz vom Landesbund für Vogelschutz und Landschaftspflege-Ingenieur Günter Weber. "Denn seit 2005 wird der Unteren Naturschutzbehörde nahegelegt, auf den außergewöhnlichen Wert der Grube zu achten und entsprechenden Schutz zu verfügen. Bis heute ist nichts geschehen", werfen die drei der Behörde vor.
Ferner heißt es: "Auch das kürzlich erfolgte Angebot, ein Konzept zu erarbeiten, welches sowohl den Interessen des Naturschutzes als auch denen des Abbaubetreibers Rechnung trägt, wurde nicht aufgegriffen. Die beginnende Zerstörung des Biotopkomplexes wurde vor drei Wochen der Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde angezeigt, dann wurde lange geprüft. Nun ist der Lebensraum der streng geschützten Gelbbauchunke und anderer Arten auf 3,5 Hektar zerstört", wird kritisiert.
Der hohe naturschutzfachliche Wert sei immer wieder von Experten bestätigt worden. Eine Gruppe von Landschaftsplanern, Förstern und Ökologen der TU München habe dies erst 2019 festgestellt. Auch Kartierergebnisse würden vorliegen. "Laut Definition waren die gerodeten Gehölzflächen nach 25 Jahren Entwicklung zu Wald geworden. Sie unterliegen damit dem Waldgesetz und dürften nicht gerodet werden", ist die Auffassung der drei Naturschützer. Sie schreiben weiter: "In Zeiten des Klimawandels, in der darüber nachgedacht wird, Wälder als Kohlenstoffspeicher zu pflanzen, werden hektarweise klimarelevante Waldstrukturen vernichtet", empört sich das Trio. "Waldgesetz, Artenschutz, Bayer. Naturschutzgesetz, Artikel 16 – was bedarf es noch, um als Behörde einzuschreiten, wenn auf großer Fläche Biotope zerstört werden?"
Die Drei argumentieren: "Das aktuelle, juristisch und behördlich abgesegnete Vorgehen beruht auf dem mondlandschaft-ähnlichen Zustand der Grube von vor rund 25 Jahren. Heute ist aufgrund der natürlichen Sukzession, also der unbeeinflussten Entwicklung, ein real existierendes Biotop hoher Qualität entstanden und bedarf demnach einer völlig anderen Vorgehensweise. Der Status quo hätte neu bewertet werden müssen. Dem wurde in keinster Weise entsprochen, obwohl immer wieder, auch der Naturschutzbehörde gegenüber, auf den besonderen Wert hingewiesen wurde. Dabei hätte man mit ein wenig Flexibilität und Wohlwollen der Beteiligten viel erreichen können", kritisieren Gillitzer, Pontz und Weber. "Sogar ein naturschutzfachliches Plus durch gezielte Maßnahmen wäre durchaus möglich gewesen. Traurig, eine Chance wurde vertan", lautet das anklagende Fazit.
Zum Schluss ihrer Stellungnahme heißt es: "Was sagt man einem Gartenbesitzer, dem eine Strafe droht, weil ein einzelner Baum gefällt wurde, oder was einem Landwirt, der zu nahe an einem Feldgehölz Pestizide spritzt, dem deshalb die Subventionen gekürzt werden?"
Quelle: Passauer Neue Presse vom 26.02.2021
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