Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Super-Gau in Temelin oder Ohu: "Das gäbe ein absolutes Chaos"

Gerhard Albrecht, Sprecher der "Plattform gegen Temelin", im PNP-Interview: Im Ernstfall wäre eine Evakuierung im Landkreis nicht machbar

09.03.16 –

Passau. "Ethisch nicht verantwortbar" - so bezeichnet Gerhard Albrecht von der "Plattform gegen Atomgefahr insbesondere aus Temelin" die Nutzung von Atomkraftwerken (AKW). Seit fast 16 Jahren kämpft der Kellberger mit den Mitgliedern der Plattform gegen den tschechischen Meiler und die Nutzung von Atomstrom. Anlässlich des fünften Jahrestages der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima hat Albrecht am Montag auf Einladung des Grünen-Kreisverbandes über dieses Thema referiert. Im PNP-Gespräch gibt Albrecht eine Einschätzung ab zur Gefahr, die für den Landkreis Passau von Temelin und Ohu ausgeht, zu Sicherheitsmaßnahmen im Falle eines atomaren Unglücks und informiert über Alternativen zum Atomstrom.

Welche Gefahr geht momentan für den Landkreis Passau vom AKW in Temelin aus?

Gerhard Albrecht: Die Gefahr ist nicht größer als vor 15 Jahren. Jedes AKW ist eine tickende Zeitbombe, das hat man in Fukushima und Tschernobyl gesehen. Es gibt in Temelin öfter Störfälle als in anderen AKW, daraus kann man ableiten, dass es insgesamt ein gefährlicheres Kraftwerk ist. Grundsätzlich gilt: Es gibt überhaupt kein sicheres Kernkraftwerk. Die Technik als solche ist nicht menschenverträglich, da man für sie den unfehlbaren Menschen braucht. Solange es den nicht gibt, ist ein Atomkraftwerk ethisch nicht verantwortbar.

Welches AKW stellt das größere Sicherheitsrisiko dar, Temelin oder Ohu?

Albrecht: Wir sind hier in der Region genau hundert Kilometer von beiden AKW entfernt. Ob es Ohu oder Temelin ist, da würde ich keinen Unterschied machen, beide sind ein Sicherheitsrisiko.

Würde die Region Passau bei einem Atomunfall in Temelin oder Ohu im unmittelbaren Gefährdungskreis liegen?

Albrecht: Das ist zunächst abhängig von der Windrichtung, Ostwind wäre schlecht. Es ist zwar nicht gesagt, dass bei anderem Wind nichts passiert, aber Ostwind stellt auf alle Fälle ein Problem dar, das hat man schon bei Tschernobyl gesehen. Da sind die hundert Kilometer Entfernung zu Temelin ein Klacks.

Denken Sie, dass der Landkreis Passau für einen Atomunfall gut vorbereitet ist?

Albrecht: Wenn der Wind so steht, wie eben geschildert, dann ist der Landkreis mit Sicherheit nicht in der Lage, sich zu schützen. Die Evakuierung aller Menschen wäre schlicht nicht machbar. Das gäbe ein absolutes Chaos. Auch die schnelle Verteilung von ausreichend Jodtabletten würde nicht gelingen. Das ist der Grund, warum man keine Katastrophenübungen durchführt. Damit würde man der Bevölkerung nur zeigen, dass man absolut hilflos wäre in einer solchen Situation. Eine vollständige Evakuierung oder die Garantie für Sicherheit, gibt es nicht, das geht schlicht nicht.

Was kann jeder Bürger tun, um sich im Fall eines Atomunglücks zu schützen? Soll man Jodtabletten horten?

Albrecht: Das kann man machen. Wenn man selbst solche Tabletten hat, ist das eine gewisse Risikominimierung. Die Einnahme von Jodtabletten ist vor allem für Kinder sinnvoll, da deren Schilddrüse noch sehr viel Jod aufnimmt und deshalb auch radioaktives Jod aufnehmen würde. Ab 45 Jahren ist die Schilddrüse nicht mehr so aktiv und nimmt weniger Jod auf. Generell ist es wichtig, dass man das Jod relativ schnell nach einem Atomunfall einnimmt. Aber man muss auch sagen, dass das Nicht-Einnehmen von Jodtabletten kein Todesurteil ist. Das radioaktive Jod ist nicht das alleinige Übel. Ansonsten gibt es keine Maßnahmen, die in irgendeinem Verhältnis zum Ausmaß der Katastrophe stehen würden. Es gibt keinen Schutz.

Welche Alternativen zum Atomstrom gibt es - und was kann man als Bürger tun?

 

Albrecht: Jeder Bürger kann beispielsweise seinen Stromanbieter wechseln. Wobei es allerdings nur wenige Anbieter gibt, die nachweislich keinen Atomstrom verwenden, das sind zum Beispiel Greenpeace oder LichtBlick. Das heißt allerdings nicht, dass der Strom, der dann tatsächlich aus der Steckdose kommt, atomstromfrei ist. Der Strom ist immer noch der gleiche, aber das Geld geht an einen anderen Anbieter. Es geht also mehr um die finanzielle Unterstützung. Damit man nicht eine Firma bezahlt, die einem den Tod bringt. Eine andere Möglichkeit wäre, sich an Bürgerenergiegenossenschaften, die beispielsweise Windrädern bauen, finanziell zu beteiligen. Das ist eine sinnvolle Geldanlage. Allgemein ist Atomstrom unnötig, da es Alternativen gibt. Generell muss man sagen, dass sämtliche Proteste gegen Atomkraft solange fragwürdig sind, solange man nicht selbst Alternativen umsetzt. Ich kann tausende Listen unterschreiben und Protestmärsche machen, solange ich mein Verhalten nicht ändere, werde ich nichts durchsetzen können.

Nähere Information zur "Plattform gegen Temelin" gibt es auf der Homepage www.temelin.de.



Die Fragen stellte Patricia Heinzlmayr.

 

Quelle: Passauer Neue Presse 09.03.2016
Wir danken der PNP für die freundliche Genehmigung der kostenlosen Nutzungsrechte auf unserer Website.

Kategorie

Atomkraft | Energie

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