Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Rede von Eike Hallitzky auf der Mahnwache zu Fukushima

11.03.16 –

Liebe Freundinnen und Freude,

ohne uns, ohne die vielen Menschen an der Basis, ohne euch gäbe es den Atomausstieg und die Energiewende nicht. Wir alle gemeinsam haben tief in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes verankert, dass es nur eine Zukunft für uns alle geben kann, wenn wir zu 100% auf regenerative Energien setzen. Das ist Ergebnis unserer jahrzehntelangen politischen Arbeit, darauf können wir alle stolz sein!

Aber wir wissen auch:

Fünf Jahre nach Fukushima und 30 Jahre nach Tschernobyl hat für viele Menschen in Deutschland das Thema Energiewende, das Thema "Atomausstieg" und "100 Prozent Erneuerbare" an Bedeutung verloren. Es läuft schon, mit der Energiewende, so denken viele, die politischen Beschlüsse sind gefasst zum Atomausstieg und zur Energiewende.

Heute müssen wir feststellen, es läuft nicht.

Es läuft nicht in Fukushima und nicht in Tschernobyl, wo auch nach fünf Jahren und nach dreissig Jahren Radioaktivität in todbringender Dosis große Gebiete verseucht, unbewohnbar auf Generationen hinaus. Milliardenschäden und Heimatzerstörung in unvorstellbarem Ausmaß.

Und wo in Japan gleichzeitig die dortigen Konservativen trotz verfügbarem Wind, Sonne und Geothermie, gegen den Willen der Bevölkerung die Reaktoren wieder anfahren.

Es läuft aber auch nicht in Europa. Nach wie vor sind wir umgeben von Schrottreaktoren und Schrottaufsichten.

Beispiel Tihange, 60 km von Aachen entfernt: Unzählige Risse gegen die die Städteregion Aachen aus Sorge klagt und sich die Bundesregierung beklagt, um dabei auf einen Chef der belgischen Atomaufsicht zu treffen, der zuvor das genauso unsichere zweite belgische AKW geleitet und damals schon mit Abwiegelung aller Störfälle glänzte.

Beispiel Fessenheim am Rhein unweit von Freiburg: Hier versagten nach einem Wassereinbruch alle normalen Sicherungssysteme, sodass erstmals auf dieser Welt mit der Zuführung von Bor eine willkürliche Unterbrechung der Kettenreaktion eingeleitet werden musste. Minutenlang wusste niemand, was im Reaktor passierte, er war völlig außer Kontrolle. Und die Öffentlichkeit erfuhr nichts.

Beispiel Temelin, wo weder die nach Fukushima vereinbarten Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit umgesetzt wurden, noch bis heute die Leitungsrisse bearbeitet wurden. Ganz im Gegenteil, von den neueren Störfällen erfuhr die deutsche Atomaufsicht erst aus der Presse, die Verpflichtung zur schnellen Veröffentlichung - ein Witz.

Es ist ein Skandal, wie hier mit der Sicherheit in Mitteleuropa gespielt wird. Das Risiko, dass der nächste Gau uns treffen wird, ist nicht nur statistisch, es ist real.

Wir fordern deshalb von der Bundesregierung:

  • Sofortiges Einforderung von unabhängigen AKW-Prüfungen
  • Sofortiger Stopp des Exportes von Brennmaterial aus der Brennelementefabrik Lingen!
  • Sofortiger Ausstieg aus EURATOM

Meine Lieben,

Atomausstieg und Energiewende laufen aber auch nicht in Deutschland.

Im schwäbischen Gundremmingen stehen zwei gefährliche Siedewasser-Reaktoren. Ihr technisches Konzept stammt aus den 1960er- und 1970er Jahren. Es sind die zwei letzten Siedewasserreaktoren (SWR) in Deutschland. Die anderen acht sind schon stillgelegt.

SWR waren billiger zu bauen als Druckwasserreaktoren (DWR). Dafür sind die SWR gefährlicher:

  • Sie haben nur einen Hauptkreislauf,
  • Bei ihnen werden die für die Regelung und Notabschaltung wichtigen Steuerstäbe von unten in den Reaktor gepresst.
  • Die brisanten Abklingbecken mit dem ungeheuren Atommüll liegen außerhalb des Sicherheitsbehälters, der Atommüll wird dadurch erheblich weniger geschützt.
  • Alle vor fünf Jahren in Fukushima havarierten Atommeiler waren ebenfalls SWR.

Zudem erfüllen die zwei Gundremminger Reaktoren wegen mangelhafter Auslegung der Notkühlsysteme nicht einmal die Vorschriften des ursprünglichen Kerntechnischen Regelwerks. Ihr Weiterbetrieb wurde nur durch die Durchsetzung von Ausnahmebestimmungen durch die Bayerische Staatsregierung möglich.

Nirgendwo sonst in unserem Land lagert so viel Atommüll wie in Gundremmingen - beängstigend unsicher eingeschlossen. Und niemand weiß, wo, wie und wann dieser Atommüll endgelagert werden soll.

Spätestens, wenn in diesem Sommer die Thüringer Strombrücke fertiggestellt ist und die Versorgungssicherheit in Bayern erhöht, können beide Blöcke von Gundremmingen vom Netz gehen, also noch in diesem Jahr. Spätestens im nächsten.

Wir fordern deshalb:

  • Deutschlands gefährlichstes Kernkraftwerk, das AKW Gundremmingen abschalten!

Gleichzeitig wird das Atommüllproblem in Deutschland immer größer. Die Suche, der Bau und die Inbetriebnahme eines möglichst sicheren Endlagers wird sich noch über Generationen hinziehen.

Deshalb brauchen wir für die erforderliche noch jahrzehntelange Zwischenlagerung neue, erheblich robustere Anlagen!

Die rotgrüne Regierung hatte um die Jahrtausendwende die Energiewende hin zu 100% Erneuerbaren in Deutschland eingeleitet.

Deutschland war Vorreiter unter allen Industrieländern.

Das hat eine enorme symbolische Bedeutung, eine Bedeutung, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Und nach wie vor wird auf uns geschaut.

Natürlich kann Deutschland nicht allein die Emissionen weltweit reduzieren.
Aber wir sind die Probe aufs Exempel, dass sich ein Industrieland zu 100% aus erneuerbaren Energien versorgen kann.

Wenn wir das als hochentwickeltes Industrieland können, dann können es alle.
Und deshalb ist es so unendlich wichtig, dass die Energiewende in Deutschland weiter vorangeht, das sie hier bei uns gelingt.

Liebe Freundinnen und Freunde,

von Einstein stammt der Satz: "Die Welt wird nicht von denjenigen zerstört werden, die Böses tun. Sondern von denen, die dabei zuschauen."

Wir schauen nicht zu, meine Lieben, wir handeln, hier in Passau und an hundert Orten in Bayern, wo heute ebenfalls Mahnwachen stattfinden!

Lasst uns weiter gemeinsam mit unzähligen Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande kämpfen für den schnellen Ausstieg aus der Tod bringenden Atomenergie.

Und lasst uns engagiert handeln für 100% Erneuerbare,
gemeinsam für unsere Zukunft und für die Zukunft unserer Kinder!

Dankeschön!

Kategorie

Atomkraft | Energie | Gesundheit

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