Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Offener Brief an Landrat Meyer wegen Unkollegialität von CSU-Amts- und Mandatsträgern

Schuberl: wir optimieren Stromverbrauch der Lampen und diskutieren über Abwasserverbrauch der Toiletten und beim Neubau sind ein paar Millionen mehr oder weniger plötzlich egal?

01.09.16 –

Betreff: Unkollegiales Verhalten von CSU-Amts- und -Mandatsträgern beim Thema Berufsschule

Sehr geehrter Herr Landrat Franz Meyer,
ich bin erst seit Kurzem Verbandsrat im Berufsschulzweckverband. Doch ich nehme meine Tätigkeit dort ernst und möchte ein guter Vertreter der Interessen der Bürger sein. Ich sehe mich dafür verantwortlich, über die Verwendung der Steuergelder mit bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden. Dies kann man aber nur, wenn man die richtigen Zahlen genannt bekommt und zwar zum Zeitpunkt der Entscheidung, nicht im Nachhinein!

Als ich erklärte, dass ich mich von der CSU-Führung nicht ernst genommen fühle, wurde mein Antrag von Ihnen als "parteipolitisches Mätzchen" und als "Schaufensterantrag" bezeichnet. Glauben Sie, mein Vertrauen in die Führung des Landkreises und des Berufsschulverbandes wird hierdurch gestärkt? Glauben Sie, ich fühle mich nun ernst genommen? Aber egal! Denn auch wenn ich mir eine sachlichere Antwort von Ihnen erhofft hätte, gilt auch für mich: Wer austeilt, muss auch einstecken können! Dies gilt aber auch umgekehrt für Sie. Und so möchte ich diese unsägliche Situation zum Anlass nehmen, um das zu tun, was die Bürger von Politikern wünschen: Mit klaren Worten sprechen. So werden Sie sehen, dass meine Kritik an der CSU keine "haltlose Unterstellung" ist. 

Es ist mitnichten so, dass jedem Verbandsrat klar sein musste, dass die Zahlen so krass falsch sind. Uns wurde als Orientierung immer die Summe von ca. 35 Millionen Euro genannt. Dass eine Schätzung immer nur fiktiv ist, ist mir dabei bewusst. Dass diese Kosten aber "in keinster Weise einen Bezug auf die späteren Neubaukosten haben", wie es der Berufsschulverband nun in einer Veröffentlichung schreibt, überrascht mich sehr. Damit hat keiner gerechnet. Und ich frage mich, wie eine Zahl, die mit der wahren Zahl in keinster Weise einen Bezug hat, als Entscheidungsgrundlage dienen konnte!

Sie selbst sagten in einer Verbandsversammlung zum Thema Grundstückskaufpreis, dass man bei einem Projekt von 35 Millionen Euro nicht um die wenigen zig-tausend Euro streiten solle, die beim Kompromiss mit der Stadt am Schluss noch umstritten waren. Bei der Verbandsversammlung, in der die beiden Bauvarianten vorgestellt worden sind, betonten die Architekten, dass man die vierstöckige statt der dreistöckigen Variante wählen müsse, wenn man noch irgendwie im Rahmen der 35 Millionen bleiben wolle. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen. Niemand hat hier betont, dass diese Zahl keinen Bezug zur Realität habe oder dass es bis zu doppelt soviel kosten könnte. Dass alle betroffenen Politiker bisher überrascht waren und sogar der Fraktionsvorsitzende der CSU Hr. Prügl sagte "Mir war nicht bewusst, dass das eine fiktive Zahl ist" erstaunt mich deshalb nicht.

Nicht ich habe als Erster behauptet, dass hinter der Verschleierung der wahren Kosten eine Taktik steckt. Es war Walter Taubeneder selbst. Er sagte: "Niemand wagte, eine Zahl in den Raum zu stellen. Zudem war die Diskussion bezüglich des Neubaus immer erhitzt, siehe Grundstückskauf. Zu sagen: Leute, das wird 50 und mehr Millionen kosten, wäre politisches Harakiri gewesen. ("¦) Wenn mal so eine Zahl im Raum ist, kriegst du sie nicht mehr weg."  Es ist schon ein Zeichen von sorgloser Dreistigkeit, dies offen und ohne jegliches Gefühl von Reue so zuzugeben. Als sei es das Normalste der Welt, dass man die wahren Kosten erst einmal verschleiert, um das gewollte Abstimmungsergebnis zu erzielen. In Bayern scheint dies leider wirklich schon normal geworden zu sein. Für den Landkreis Passau habe ich dies zumindest selbst schon mehrfach erlebt.

Ich erinnere an die Ausweisung des Gewerbegebiets Rathsmannsdorf. Hinter der Durchsetzung dieses Projekts standen Sie als Landrat sehr vehement und ich denke, dass es auch nur dadurch in allen Ebenen so einfach durchzubekommen war. Eine Infoveranstaltung für die Bürger hatte der Windorfer Bürgermeister Langer, der nun CSU-Kreisrat ist, so lange nach hinten verschoben, bis bereits Fakten geschaffen waren. Da so schnell keine Rodungsgenehmigung zu bekommen war, hat man nur einen Kahlschlag mit anschließender Wiederaufforstung beantragt. Sogar am Sonntag in der Nacht wurde noch durchgearbeitet, um so schnell wie möglich den bestehenden Wald zu beseitigen. Danach ging es mit der nachträglichen Rodungsgenehmigung und der Abwägung der Naturschutzbelange gleich viel einfacher. Der Wald war ja schon zerstört. Niemand hätte mehr verstanden, wenn man sich für den Erhalt eines abgeholzten Waldes eingesetzt hätte. Als von den Grünen vor Ort darum gebeten worden ist, wenigstens den halben Hektar an Quellbiotopen am Rand des Gewerbegebiets zu erhalten, dauerte es nicht lange, bis diese als eine der ersten Maßnahmen zugeschüttet worden sind. Was sollte da dann noch gerettet werden?

Aktuell läuft es bei der Nordtangente ebenso. Es werden Zahlen zugrunde gelegt, die so dreist falsch sind, dass es jeder erkennen kann. Das von der CSU geführte Bundesverkehrsministerium weigert sich deshalb auch beharrlich, sogar gegenüber Bundestagsabgeordneten, die Grundlagen für diese Zahlen herauszugeben. Diese Weigerung bestätigt meine Meinung. Nur aufgrund der gefälschten Zahlen hat die unsinnige Nordtangente überhaupt eine Chance, in den Bundesverkehrswegeplan mit aufgenommen zu werden. Hat sie erst diese Hürde überstanden, kann man dann ja scheibchenweise die wahren Zahlen zugeben. Auch da wird es heißen, es habe sich von Anfang an um fiktive Zahlen gehandelt. Es habe doch jedem klar sein müssen, dass die Kosten höher und der Nutzen niedriger sein müssen. Man brauche ja nur vergleichbare Straßenbauprojekte zugrunde legen. Aber dann ist es bereits zu spät. Wieder einmal!

Die "Normative Kraft des Faktischen" ist die Grundtaktik der CSU. Erst die Zahlen dergestalt aufbereiten, dass die Grundsatzentscheidung im eigenen Sinn fällt. Die Zeit nutzen, um Fakten zu schaffen. Und dann im Nachhinein mit dem Hinweis, dass man aufgrund der geschaffenen Fakten und des Zeitdrucks jetzt hinter der Entscheidung stehen müsse. So können noch die letzten potentiellen Abweichler auf Spur gebracht werden.

Auf die Frage der PNP, ob die Generalsanierung eine Alternative sei, sagte Walter Taubeneder: "Nein. Das würde keine anderen Ergebnisse bringen. Die Risiken wären viel zu groß. Viele Gebäudeteile sind von der Statik, vom Brandschutz und der Infrastruktur weit unter den Anforderungen. Zudem würden wir viel Zeit verlieren. Die Entscheidung für einen Neubau ist abgewogen getroffen worden, auch auf Empfehlung der Regierung." Ohne dass es bereits vergleichbare Zahlen gäbe, weiß Walter Taubeneder bereits jetzt, dass auch die Sanierung nicht günstiger sei. Woher weiß er das denn? Hat er vergleichbare Zahlen? Dann sollte er sie zur Verfügung stellen! Oder geht es hier um den von mir erwähnten Druck auf die Kreis-  und Verbandsräte? Dann wird natürlich von den großen Risiken gesprochen. Brandschutz und Statik, wie er sie aufführt, sind hierfür immer sehr beliebt. Diese Schlagworte allein reichen meist schon, um alle Verbandsräte, die bei Statik und Brandschutz Laien sind, zum Verstummen zu bringen. Es geht ja schließlich um Sicherheit und womöglich große, für Laien unüberschaubare Kosten. Gibt es denn zu Brandschutz und Statik von Experten bereits ein Gutachten? Gibt es hierzu bereits Schätzungen? Das Schlagwort allein reicht mir nicht. Und zu guter Letzt kommt immer das Zeitargument. Es pressiert schon sehr stark! Das ist uns auch bei den Verhandlungen über den Grundstückspreis immer wieder eingehämmert worden. Wenn wir jetzt nicht bald zu bauen anfangen, wird die Regierung vielleicht nicht fördern oder der Schulsprengel anders gestaltet werden. Im Klartext heißt das: Stimmt endlich in unserem Sinne ab, sonst verlieren wir alles! Aber stimmt das auch oder geht"™s da wieder nur um den Druck auf die Verbandsräte?

Die Verzögerung durch den Vilshofener Stadtrat verhinderte zum Ärger der Kreis-CSU die geplante Schaffung von Fakten. Hätten wir vor der neuen Kostenschätzung bereits ein Grundstück gekauft, würde niemand mehr ernsthaft nach Alternativen fragen. Und wie kommt die CSU eigentlich zu der Behauptung, dass die Entscheidung für den Neubau "abgewogen" getroffen worden sei? Welche Zahlen wurden denn gegeneinander abgewogen? Wie kann Hr. Prügl behaupten, dass es bezüglich der Entscheidung gegen eine Generalsanierung "keine neue Ausgangslage" gäbe? Wann ist denn eine neue Ausgangslage gegeben, wenn die Verdoppelung der Kosten nicht ausreicht?

Und der letzte Teil der CSU-Taktik ist besonders unfein. Kritiker, die nicht spuren und sich als etwas anderes verstehen, als nur als Mehrheitsbeschaffer, werden persönlich angegriffen. Wenn es besonders wichtig ist, kommt es zum Kreuzfeuer aus mehreren Rohren. Herr Landrat, Sie beschwören regelmäßig die Kollegialität im Kreistag. Diese schätze ich in den meisten Fällen auch sehr. Sie gilt aber nur dann, wenn keine Kritik geäußert wird. Es ist sehr leicht, kollegial zu sein, wenn einstimmige Abstimmungen anstehen. Aber wenn auch nur einer ausschert, dann wird persönlich ausgeteilt. Dies musste ich persönlich sehr heftig bei der Abstimmung über den Ehrenring für Hr. Sonnleitner spüren. 

Und nun trifft es auf besonders krasse Art den Stadtratskollegen Synek aus Passau. Ausgerechnet Walter Taubeneder, dem gerade das Projekt Berufsschulneubau aufgrund eigener Fehler aus den Händen zu gleiten droht, spricht Synek die "notwendige Fachkompetenz" ab und behauptet er sei "stark überfordert", "inkompetent", "bösartig" und "zynisch". Der Abgeordnete Waschler springt ihm bei und nennt ihn einen "Irrläufer", einen "selbsternannten Finanzexperten" und fordert von ihm, als Stadtrat zurückzutreten. Dies ist also die Antwort der CSU-Führung auf berechtigte Kritik? Statt auf die Argumente sachlich einzugehen, wird dem Diplom-Finanzwirt und Aufsichtsratsvorsitzenden der Passauer Wohnungs- und Grundstücksgesellschaft die Kompetenz abgesprochen. Welch eine Finanz- und Baukompetenz besitzen eigentlich die Herren Waschler und Taubeneder?

Herr Landrat, ich bin gerne dazu bereit, den eingeschlagenen Weg des Neubaus mitzugehen. Auch mir hat die Vorstellung der geplanten Gebäude gefallen und auch ich möchte, dass die Berufsschule in Vilshofen erhalten bleibt und dort eine sehr gute Ausbildung ermöglicht wird. Aber ich kann als Verbandsrat nur dann diesen Weg weiter mit Ihnen beschreiten, wenn vergleichbare Zahlen auf dem Tisch liegen und die Verbandsversammlung frei von äußerem Druck und unabhängig über die verschiedenen Alternativen entscheiden konnte. Dabei erwarte ich, dass nicht nur die Generalsanierung, sondern auch eine Kombination aus Sanierung und kleinem Neubau sowie ein Neubau mit deutlich niedrigeren Kosten als Alternativen ernsthaft ausgearbeitet werden. Gerade als Mitglied des Rechnungsprüfungs-ausschusses des Berufsschulverbandes muss ich hierauf bestehen. Wir diskutieren dort regelmäßig, wie wir den Abwasserverbrauch von den Toiletten oder den Stromverbrauch der Beleuchtung optimieren können, um ein wenig Geld zu sparen. Da kann ich nicht gleichzeitig sagen, ein paar Millionen mehr oder weniger seien mir egal.

Mit freundlichen Grüßen
Toni Schuberl

Kategorie

Bildung | Finanzen | Personalien

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