Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Nach jüngsten Vorfällen an tschechischem AKW: Internationale Temelin-Konferenz fordert Stopp neuer Atomprojekte

Angesichts aktueller Störfälle und Unregelmäßigkeiten fordert die 6. Temelin-Konferenz die tschechische Regierung auf, geplante AKW-Neubauprojekte zu stoppen

26.09.16 –

Eine entsprechende Resolution verabschiedete die Zusammenkunft von rund 40 Experten, Aktivisten und Politikern aus sechs europäischen Ländern in Hluboka nad Vltavou unweit des Atommeilers Temelin am Sonntag. In dem Papier heißt es, die politisch Verantwortlichen "sollen Pläne für den Ausstieg aus bestehenden Atomkraftwerken entwickeln und den alten Reaktoren von Dukovany keine Laufzeitverlängerung zugestehen. Stattdessen müssen Alternativen entwickelt werden, basierend auf Energieeffizienz und erneuerbaren Energiequellen."

Das AKW Temelin in Südböhmen hatte erst Anfang September einen Störfall gemeldet. Nur kurz nach der Wiederinbetriebnahme nach einer monatelangen Betriebspause musste der Reaktorblock 2 daraufhin vom Netz genommen werden. Derzeit steht auch Block 1 des Kraftwerks planmäßig still, weshalb das Kraftwerk momentan keinen Strom produziert.

Zudem stehen Betrugsvorwürfe wegen unsicherer Schweißnähte am Kühlwassersystem des Reaktorblocks 1 im Raum. Eine ehemalige Inspektorin der tschechischen Atomaufsicht habe die Unregelmäßigkeiten bestätigt und es werde gegen Unbekannt ermittelt, berichtete  Konferenz-Organisatorin Brigitte Artmann. Die grüne Kreisrätin aus dem oberfränkischen Marktredwitz fordert deshalb: "Die tschechische Regierung kann angesichts dieser Vorfälle nicht zur Tagesordnung übergehen und darf nicht weiter an ihren Ausbauplänen für die Atomkraftwerke festhalten, sondern muss endlich wieder stärker in alternative Energieträger investieren."

Tschechien will den AKW-Standort Dukovany in den kommenden Jahren erweitern, was die Teilnehmer der Konferenz klar ablehnten. Auch für einen immer wieder verschobenen Ausbau des Atomkraftwerks Temelin finden laut Medienberichten derzeit wieder Gespräche mit potenziellen Investoren statt. Zugleich hat die tschechische Regierung in den vergangenen Jahren die Förderung für erneuerbare Energieträger zusammengestrichen und Photovoltaikanlagen mit zusätzlichen Abgaben belastet.

Während die Teilnehmer der jährlich stattfindenden Konferenz in den vergangenen Jahren im AKW Temelin stets willkommen waren, lehnte der Energieversorger CEZ diesmal ein direktes Gespräch ab. Und: "Die Temelin-Betreiberfirma hat bisher nur unzureichend zur Aufklärung der Unregelmäßigkeiten an den Schweißnähten beigetragen", sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl bei der Temelin-Konferenz. "Die Zweifel können nur durch gründliche Einsicht in die Dokumentation ausgeräumt werden." Sie forderte deshalb die tschechische Atomaufsicht  auf, diese dem deutschen Bundesumweltministerium entsprechend der Vereinbarungen des deutsch-tschechischen Atomabkommens zur Verfügung zu stellen. Kotting-Uhl hatte im vergangenen Oktober zusammen mit Brigitte Artmann und Technik-Experten an einem Fachgespräch der tschechischen und deutschen Atomaufsichten bezüglich dieser Angelegenheit in Prag teilgenommen.

Mit ihrer Abschluss-Resolution appelliert die 6. Temelin-Konferenz an die Bundesregierung, sich stärker als bisher gegen AKW-Neubauten in benachbarten Staaten zu engagieren. Die deutsche Politik, heißt es in dem Dokument, müsse "sicherzustellen, dass Bürgerinnen und Bürger in Deutschland alle ihnen durch internationales Recht garantierten Möglichkeiten bekommen, an Entscheidungsprozessen zur Energiepolitik in Nachbarstaaten teilzunehmen; inklusive mindestens drei Monaten öffentlicher Auslegungsfristen bei grenzüberschreitenden Konsultationen bezüglich Energiestrategien und bei neuen Energieprojekten in den Nachbarstaaten."

Weiteres Thema auf der Temelin-Konferenz waren auch die energiewirtschaftlichen Verwerfungen durch neue AKW-Projekte. "Atomkraft ist nicht nur höchst riskant, sondern ist auch nach mehr als 60 Jahren unwirtschaftlich und auf massive Subventionen angewiesen, die grenzüberschreitend die Energiemärkte zulasten Erneuerbarer verzerren", sagte Christoph Rasch vom Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy mit Blick auf zahlreiche in Europa geplante AKW-Neubauten.

Die Republik Österreich, Greenpeace Energy und mehrere weitere Akteure klagen deshalb seit 2015 gegen milliardenschwere Subventionen für das geplante britische Atomkraftwerk Hinkley Point C. Das Beihilfepaket für das AKW gilt als Blaupause für Atomprojekte in mehreren anderen Staaten wie Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei. Diese vier Staaten haben beim zuständigen EU-Gericht in Luxemburg beantragt, in das anhängige Klage-Verfahren einzusteigen - und die umstrittenen Subventionen für Hinkley Point C an der Seite der EU-Kommission und Großbritanniens zu verteidigen. Auch Jan Haverkamp, Atomexperte für Greenpeace in Mittel- und Osteuropa forderte auf der Konferenz deshalb die deutsche Bundesregierung auf, sich aktiv in diese Gerichtsverfahren einzuschalten.

Aus Passau nahmen Halo Saibold (Grüne Kreisrätin) und Dirk Wildt (Grüner Kreisvorsitzender) teil, aus Österreich Nationalrat Matthias Köchl (Grüne)

Kategorie

Atomkraft

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