Menü
06.05.14 –
aus: Passauer Neue Presse vom 06.05.2014 (A-Ausgabe), von Christian Bradler
Salzweg. Residenzpflicht, Antragsverfahren, Unterkünfte, Arbeitserlaubnis und vieles mehr: Der Vortrag von Barbara Lochbihler, für die Grünen Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP), mit anschließendem Gespräch im Rathaus Salzweg deckte ein weites Themenfeld in der Flüchtlings- und Asylpolitik ab. Im Rahmen des Europawahlkampfes hatte der Sprecher der Grünen Passau-Land, Christian Domes, den Besuch der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschuss im Europäischen Parlament organisiert. Auch viele grüne Politikvertreter wie Eike Hallitzky oder der Passauer Stadtrat Karl Synek beteiligten sich an dem Gespräch mit 35 Salzweger und Passauer Bürgern und Studenten.
"Bayern als Schlusslicht in Flüchtlingspolitik"
An seinem ersten Arbeitstag begrüßte der neue Bürgermeister der Gemeinde, Josef Putz (FWG), die Europaabgeordnete: "Wir freuen uns über Ihren Besuch und sind dankbar für jede Hilfestellung und jeden Tipp, den Sie uns in dieser Thematik liefern können", so der Bürgermeister. Ziel der Gemeinde sei es, die Bewerber bestmöglichst zu integrieren. Die anstehende Ansiedlung von 100 Asylbewerbern im "Salzweger Hof" hatte im Ort eine emotionale Debatte ausgelöst. Umso mehr war die Runde um Sachlichkeit und einen Austausch von hilfreichen Argumenten bemüht. "Nach meiner Kenntnis werden überwiegend Syrer und Afghanen nach Salzweg kommen", berichtete Putz der Abgeordneten. Für die Unterkunft in Salzweg riet Lochbihler: "Schaffen Sie genügend Privatheit für die Menschen, sorgen Sie für einen regelmäßigen Sprachaustausch, kämpfen Sie gegen Vorurteile - einfach ein lockerer Umgang miteinander!" Lochbihler selbst verwahre sich gegen das Bild des "fremdenfeindlichen Bayern", auch über die Gemeinde sei ein undifferenziertes Bild entstanden: "Die politischen Rahmenbedingungen durch die Staatsregierung dagegen waren die letzten 20 Jahre unhaltbar. Es kann keine Rede von gewollter Integration sein. Bayern ist Schlusslicht in der Flüchtlingspolitik." Auch Eike Hallitzky, ehemaliger Landtagsabgeordneter der Grünen, pflichtete der Parlamentarierin bei: "In meinen Zeiten im Finanzausschuss war Geld für Asylpolitik zu erhalten immer Kampfgeld".
Laut Lochbihler ist ein großes Problem die Bearbeitungsdauer der Anträge auf Arbeitserlaubnis. Dem pflichtete Fritz Loos, Fachbereichsleiter Migration des Caritasverbandes für die Diözese Passau, bei: "Die Leute werden mit ihren Leben in Warteschleifen gehalten." Auch gegen ein undifferenziertes Menschenbild gegenüber Asylbewerbern stellte sich Loos mit seiner Erfahrung aus der Praxis: "Jeder ist unterschiedlich. Aber in den Jahren hat sich keine Gruppe besonders hervorgetan. Keine Gruppe tut sich durch Integrationsunwilligkeit oder Sozialbetrug hervor. Meine Meinung: Die Menschen sind dankbar und engagiert."
Europäische Asylpolitik noch in Kinderschuhen
Eine skeptischere Sicht wurde aus dem Publikum gegenüber der Gruppe der Sinti und Roma angemerkt. Lochbihler hielt dem entgegen, dass keine Volksgruppe in ganz Europa mehr unter systematischer Benachteiligung leide. Auch seien die Sinti und Roma bereits historisch stigmatisiert worden. Um solche und ähnliche Probleme effizient auf europäischer Ebene anzugehen, fordere sie eine gesamteuropäische Asyl- und Flüchtlingspolitik inklusive Zusammenarbeit der Länder: "Bisher steckt das noch in den Kinderschuhen".
Auf die Agenda des Europäischen Parlamentes gehört es für Lochbihler, eine Alternative für Asylbewerber zu schaffen, Europa ausschließlich über illegale Wege zu erreichen. "Wir müssen verhindern, dass sich verzweifelte Menschen nur durch Menschenhändler über das Mittelmeer schleppen lassen können." Als Lösung empfiehlt die 54-Jährige, die Möglichkeit zu schaffen, bereits in den europäischen Botschaften in den nördlichen afrikanischen Ländern Anträge auf Asyl in Europa stellen zu können: "Wir dürfen uns in Europa nicht einmauern. Das Haus Europa braucht eine Tür!"
Gerade für kleinere Gemeinden wie Salzweg sei der Zuzug durch Flüchtlinge auch eine große Chance: "Aus Syrien kommen Bewerber mit hohen Bildungsstandard, der dortige Mittelstand", so die Europaabgeordnete. Diese könnten das Gemeindeleben auf vielfältige Weise bereichern. Hallitzky fügte dem hinzu, dass Flüchtlinge und Asylbewerber nicht nach einem "Nützlichkeitscharakter" eingruppiert werden sollen. Hallitzky weiter: "Dezentrale Lösungen werden kritisch, wenn Orte mit 30 Einwohnern 60 Bewerber integrieren sollen." Auch gab er zu bedenken, dass insbesondere bei syrischen Flüchtlingen Traumataaufarbeitung durch die Kriegsgeschehnisse stattfinden müsse. Hierbei müsse den verantwortlichen Stellen und Gemeinden durch die Staatsregierung und Experten geholfen werden.
Weitere Themen, die das überaus interessierte und diskussionsfreudige Publikum ansprach, waren die Residenzpflicht, Waffenexporte, Sprachkurse, Unterbringungen der Bewerber, Frontex-Einsätze im Mittelmeer und aktuelle Diskussionen rund um das Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Fotounterschrift:
Einen spannenden Vortrag und eine engagierte Diskussion über das Thema Flüchtlings- und Asylpolitik kam in der Runde um MdEP Barbara Lochbihler (v.l.) im Salzweger Rathaus zustande. Gespannt folgen Organisator Christian Domes und Bürgermeister Josef Putz den Gesprächen. − Foto: Bradler
Diese Website ist gemacht mit TYPO3 GRÜNE, einem kostenlosen TYPO3-Template für alle Gliederungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
TYPO3 und sein Logo sind Marken der TYPO3 Association.