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15.08.21 –
Als Nachrücker für die Grünen-Politikerin Halo Saibold ist der Salzweger Frederic-Sascha Müller in den Passauer Kreistag eingezogen. Der 53-jährige Salzweger, im dortigen Gemeinderat für den "Frischen Wind" seit 2020 vertreten, von Beruf Erzieher, kandidierte auf Listenplatz vier der Grünen für den Kreistag und holte 10008 Stimmen – es reichte nicht ganz für ein Mandat. Nun ist er nachgerückt und will sich für Veränderungen vor allem in der Klimapolitik einsetzen.
Halo Saibold hat, wie Sie selber gesagt haben, große Fußspuren hinterlassen. Wie können diese gefüllt werden?
Frederic Müller: Halo Saibold hat Zeit ihres politischen Lebens dafür gekämpft, dass anstelle von nett formulierten Absichtserklärungen konkret gehandelt wird. Dies galt in besonderem Maße ihrem Engagement für alle ökologischen Zukunftsthemen. Gerade jetzt müssen wir für eine lebenswerte Umwelt unserer Kinder und Enkel einstehen – und zwar ehrlich, kraftvoll und sofort! Mich ärgert zum Beispiel konkret, dass naturschutzrechtliche Belange in der Praxis so wenig ernsthaft beachtet werden – die Kartierung unserer Biotopflächen ist noch aus dem letzten Jahrhundert – und es ist gängige Praxis, dass man sich aus der Zerstörung von Naturräumen problemlos durch Ausweisung von Ausgleichsflächen an anderer Stelle "freikaufen" kann. Im Ausschuss für Umwelt und Nachhaltigkeit will ich dieses Ungleichgewicht aufgreifen und hier stärker sensibilisieren.
Welche Ereignisse und Erfahrungen haben Ihre politische Einstellung am stärksten geprägt?
Müller: Ich bin als Sohn einer "roten" Kreisrätin und eines Landtierarztes in einem kleinen Dorf im Bayerischen Wald aufgewachsen und schätze die Bodenständigkeit der Menschen auf dem Land. In jungen Jahren hat mir mein Engagement für das Volksbegehren "Das bessere Müllkonzept" – auf dessen Erfolg das System unserer heutigen Recyclinghöfe beruht – gezeigt, dass Menschen gemeinsam viel erreichen können. Besonders beeindruckt hat mich die von Papst Franziskus verfasste Enzyclika "Laudato Si", in der er in seiner "Sorge um das gemeinsame Haus" unsere ökologische Verantwortung für unsere Lebensgrundlagen unmissverständlich darlegt. Dieses deutliche und im Grunde tiefgrüne Bekenntnis zum Schutz der Schöpfung hat mich tief beeindruckt. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir die notwendigen Veränderungen gemeinsam schaffen können.
Welche landkreisspezifischen Themen wollen Sie besonders anpacken?
Müller: Wir sind die letzte Generation, die der Erdüberhitzung und dem massiven Artensterben noch Einhalt gebieten kann. Jetzt ist Zeit, konkret zu handeln: auf Landkreisebene müssen wir endlich mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien durchstarten – auch mit der Windkraft –, die Produktion und Vermarktung bio-regional erzeugter Lebensmittel kraftvoll anschieben und die durch die Pandemie stark gebeutelte Tourismusbranche konsequent in Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickeln, um nur einige Themen zu nennen.
Wo krankt es politisch im Landkreis?
Müller: Angesichts der gewaltigen Herausforderungen, vor denen wir stehen, fehlt es der Landkreispolitik vor allem an Mut: einerlei, ob Klimaüberhitzung, Flutkatastrophe oder Schutz vor Corona, es braucht Mut zu klaren Ansagen und für konsequentes Handeln, zum Schutz unserer Lebensgrundlagen. Das gilt etwa bei dem unerträglichen Lavieren des Landrates um die Ilztalbahn, obwohl in allen anderen Regionen die Bahn längst anerkanntes Rückgrat für den zukünftigen öffentlichen Nahverkehr ist. Ebenso aber auch beim Ausbau der Windkraft, wo insbesondere in der CSU überall gemauert wird, obwohl jeder weiß, dass wir für das Erreichen der Klimaziele zwingend einen massiven Ausbau der Windenergie brauchen und auch wir im Passauer Land unseren Beitrag leisten müssen und können.
Ein dominierendes Thema unserer Zeit ist die Pandemie. Was sagen Sie zur Corona-Politik im Land?
Müller: Sie war und ist mir zu kurzsichtig und zu sehr auf Effekthascherei ausgelegt. Viele Maßnahmen wirken ungeplant und nicht durchdacht: so gab es vollmundige Ankündigungen bei den Coronahilfen für kleine und mittelständische Betriebe, in der Realität gingen viele leer aus. Das Ende Juni aufgelegte Förderprogramm für mobile Luftreinigungsgeräte an Schulen und Kinderbetreuungsstätten zeigt, dass die Staatsregierung nicht dazugelernt hat: es kommt nicht nur viele Monate zu spät, es ist auch schlampig vorbereitet. Ein solches Vorgehen halte ich für fahrlässig. Persönlich am meisten abstoßend fand ich, dass ranghohe CSU-Politiker sogar die Pandemie zur eigenen Bereicherung nutzen konnten – und dass die Staatsregierung bis dato eine umfassende Aufklärung der Affären blockiert.
Das andere beherrschende Thema ist das Klima. Wie sieht ihre Idealvorstellung aus?
Müller: Die Klimakrise ist die Existenzfrage unserer Zeit. Die Menschen im Landkreis haben 2021 und die Jahre zuvor durch Jahrhunderthochwässer, Orkane, massive Starkregenereignisse, aber auch Trockenperioden einen schrecklichen Vorgeschmack auf die Art von Zukunft erhalten, die ihren Kindern und Enkeln blüht, wenn wir nicht jetzt entschlossen handeln. Zukünftige Klimapolitik muss schnell greifen und alle Bereiche umfassen: Bauen, Verkehr, Energieversorgung, Rohstoffproduktion, Landwirtschaft, Tourismus, medizinische Versorgung, Subventionsumbau. Grüne Klimapolitik wird sozial gerecht ausgestaltet sein, indem sie klimafreundliches Verhalten direkt, etwa über ein Energiegeld pro Kopf belohnt und gleichzeitig klimafreundliche Infrastruktur finanziert, etwa einen besseren ÖPNV für alle. Wichtiger Bestandteil künftiger Klimapolitik ist der massive Ausbau der erneuerbaren Energien, gekoppelt mit einem möglichst frühen Kohleausstieg. Klimaschutz als Kern einer zukunftsfähigen Wirtschaft "Made in Germany" kann zukünftig nicht nur für Qualität und Innovation, sondern auch für nachhaltige Produkte und Prozesse stehen. Selbstverständlich wünsche ich mir, dass die Menschen am 26. September die Bundestagswahl zur Klimawahl machen.
Die Fragen stellte Johannes Munzinger.
Quelle: Passauer Neue Presse vom 12.08.2021
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