Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Klimanotstand soll ausgerufen werden

63 Aldersbacher stellen Antrag – Gemeinde hat drei Monate Zeit, sich über Inhalte zu beraten

03.01.22 –

 Die Gemeinde Aldersbach soll den Klimanotstand ausrufen. Das fordert ein Bürgerantrag, der von Grünen-Gemeinderat Helmut Huber im Rathaus abgegeben wurde. 63 Aldersbacher haben ihn unterzeichnet. Zwei Stimmen waren ungültig. Er gilt trotzdem (erforderlich sind ein Prozent der Ü18-Gemeindeeinwohner), ist auch rechtlich zulässig. Das hat die Verwaltung überprüft und der Gemeinderat mehrheitlich befürwortet. Und jetzt? Die Gemeinde hat drei Monate Zeit, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen.
Um was geht es den Bürgern, die den Antrag gestellt haben? Sie wollen, dass die Eindämmung des Klimawandels höchste Priorität in der Gemeinde hat, dass anerkannt wird, dass die bisherigen kommunalen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das sieht das Pariser Klimaschutzabkommen so vor, um die verheerenden Folgen der Klimakrise abzuwenden. "Uns bleibt nicht mehr viel Zeit", zitieren die Unterzeichner einen Sonderbericht des UN-Klimarates.
"Seit mehr als 40 Jahren ist der Klimawandel bekannt. Allen Warnungen der Wissenschaft zum Trotz steigen die Treibhausgase und damit die Erderwärmung", begründen sie ihren Antrag. Und weiter: "Unsere Zukunft steht auf dem Spiel. Wir müssen daher jetzt handeln – auf Kommunal-, Landes-, Bundes- und internationaler Ebene", sagen sie. Und sie wollen mehr als nur ein Signal setzen: Sie wollen Klimaschutzmaßnahmen in der Gemeinde zügig umsetzen und in allen Bereichen verankern.
Auf drei Seiten hat Helmut Huber dargelegt, wie so ein Klimaschutzkonzept für Aldersbach aussehen könnte. Es betrifft folgende Bereiche:

 Energie (entsprechende Sanierung der gemeindlichen Liegenschaften, die Förderung von Solar- und Photovoltaikanlagen); 
 Mobilität und Verkehr (Stundentakt des ÖPNV, Ausbau des Busverkehrs in den Abend- und Nachtstunden und am Wochenende, Förderung des Radverkehrs, weniger Straßenausbau); 
 Bau (keine Baugebiete auf Grün- oder Waldflächen, Mindeststandards für Energieeffizienz bei Baugenehmigungen, Nachverdichtung und Sanierung statt Neubauten); 
 Natur (vermehrte Pflanzung von Laubbäumen, "essbare Gärten" in Schulen, Urban Gardening im öffentlichen Raum); 
 Ernährung (regionale Mahlzeiten in Schulmensen und Kantinen, Wochenmarkt); 
 Ressourcen (Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie in den Gewässern im Gemeindegebiet, Grundwasser-Richtlinien der Regierung von Niederbayern, Ausgleichsflächen öffentlich erkennbar machen und Bürger und Fachleute in der Gestaltung einbinden); 
 Schutz der Bevölkerung (Bauliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz, neue Baugebiete nur mit einem Abwasserkonzept für Starkregenereignisse); 
 Öffentlichkeitsarbeit (verstärktes Werben für Klimaschutz und Nachhaltigkeitsprojekte, Einstellung eines Beauftragten für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, ggf. über die ILE, der die Umsetzung des gemeindlichen Klimaschutzkonzeptes überwacht, bewertet und mindestens halbjährlich Bericht erstattet).

"Es ist nicht so, dass Aldersbach nichts für Klimaschutz und Nachhaltigkeit macht. Aber als finanzielle Vorzeige-Gemeinde im Landkreis Passau, muss es mehr sein", sagt der Initiator des Bürgerantrags. Beispielhaft führt er die Stadt Vilshofen an: "Die ist uns in Sachen Klimawandel um Längen voraus, bezahlt stundenweise einen Umweltschutzbeauftragten, der tolle Aktionen macht, und hat in einem neuen Baugebiet in Pleinting festgeschrieben, dass es Zisternen geben muss."

Helmut Huber und auch Partei- und Gemeinderatskollegen Robert Steinbauer ist wichtig, dass sich die Gemeinde mit den Bürgern zusammensetzt und ein gemeinsames Aktionspapier entwickelt wird. Das Ausrufen des Klimanotstands klinge radikal und abschreckend, sei aber nur ein "terminus technicus". "Es geht dabei vor allem darum, die Menschen vor Ort für den Klimaschutz zu sensibilisieren und gemeinsam Maßnahmen zu erarbeiten. Wir wollen niemanden vor den Kopf stoßen", betonen die Grünen-Gemeinderäte.

TIPPS VON PROFISIm Hitzejahr 2019 machte Konstanz den Anfang, inzwischen haben über 70 deutsche Kommunen den Klimanotstand ausgerufen. In vielen Bereichen gestalten Gemeinden Klimaschutz und Klimaanpassung ganz konkret mit: Verkehr, Energie, Stadtentwicklung, Gebäude und Wasserversorgung. Doch als Teil der Exekutive sind Gemeinden an unterschiedlichste gesetzliche Vorgaben gebunden.
Wie diese mit einem "Notstand" zu vereinbaren sind, stellt Kommunalpolitiker vor zahlreiche juristische Fragen. Dürfen Notstandsbeschlüsse zum Beispiel vorschreiben, dem Klimaschutz unbedingte Priorität einzuräumen, wenn etwa ein neues Baugebiet ausgewiesen werden soll? Damit hat sich die Helmholtz-Klima-initiative beschäftigt. Danach dürfen Kommunen auch durch Notstandsresolutionen natürlich nicht von der Bundes- und Landesgesetzgebung abweichen. Beim Aufstellen von Bebauungsplänen zum Beispiel müssen sie unterschiedliche Gründe abwägen und sich dabei nach dem Baugesetzbuch des Bundes richten. Legitim seien dagegen besonders solche Inhalte von Resolutionen, die sich auf Aufgaben von Gemeinden beziehen. "Für Veranstaltungen und öffentliche Einrichtungen können Rathäuser etwa Ökostrom bevorzugen", heißt es. Und weiter: "Aus rechtlicher Sicht handelt es sich bei Beschlüssen zum Klimanotstand eher um eine Art Selbstverpflichtung der Kommunen."

HELMHOLTZDie Helmholtz-Gemeinschaft ist ein Mitgliedsverbund aus 18 unabhängigen naturwissenschaftlich-technisch und biologisch-medizinisch ausgerichteten Forschungszentren mit zusammen mehr als 40000 Beschäftigten. Davon sind rund 40 Prozent Wissenschaftler. Das Budget beträgt 4,8 Milliarden Euro (Stand 2019). Somit handelt es sich bei der Helmholtz-Gemeinschaft um die nach Mitarbeitern und Budget größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Erklärtes Ziel ist es, "große und drängende Fragen von Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft zu beantworten".

Quelle: Passauer Neue Presse vom 31.12.2021
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Kategorie

Umwelt

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