Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Hutthurmer Teer-Skandal endet nach elf Jahren

30.05.20 –

Es sollte Europas modernster Kuhstall werden. Stattdessen wurde der Hof auf der Anhöhe neben der B 12 bei Hutthurm zum Schauplatz eines Umweltskandals, der bayernweit Wellen schlug. Die Klärung dauerte elf Jahre und kostete den Landkreis Passau fast zwei Millionen Euro. Diese Woche wurde die Baustelle beendet.

Hutthurm. "11. August 2009." Robert Uhrmann weiß es noch genau. An jenem Tag war ihm klar, dass mit der Baustelle auf der Anhöhe neben seinem Milchviehbetrieb was nicht stimmt. Dort ließ ein anderer Landwirt einen großen Kuhstall und ein Fahrsilo errichten. Er gönne dem Berufskollegen den Neubau nicht, musste sich Uhrmann in den nächsten Jahren oft anhören. Doch mit dem Bauprojekt hatte er nie ein Problem. Was ihm nicht gefiel, waren die Laster, die pechschwarzen Bauschutt abluden. Das Regenwasser, das über die Felder zu Uhrmanns Betrieb runterlief, zog ölige Schlieren mit sich.

In jenem Sommer erfüllte sich Werner Malz einen Traum. Auf dem grünen Hügel neben der B12 bei Großthannensteig (Hutthurm) ließ der Landwirt einen Stall für 250 Rinder und 50 Kälber bauen. Als Europas modernster Stall wurde die Halle mit dem weithin sichtbaren weißen Bogendach angepriesen und lockte bei einer Besichtigung im Mai 2011 Tausende Besucher an. Die ahnten nicht, dass unter dem Fahrsilo einer der größten Umweltskandale der Region verborgen lag.

Als die Genehmigung kam, war das Silo schon gebautEr habe das Projekt mit Leidenschaft angepackt, erzählt Werner Malz, im Hintergrund rauscht der Verkehr. Der Landwirt arbeitet inzwischen als Lkw-Fahrer, seinen Betrieb hat er verloren. "Vielleicht ist es damals zu schnell gegangen", gesteht er ein. Die Großbaustelle ließ der Bauherr oft unbeaufsichtigt, vertraute auf Firma und Landratsamt. Man habe ihm versichert, es sei in Ordnung, dass ein Recyclingbetrieb aus der Region Tausende Tonnen teerhaltigen Straßenaufbruch auf seiner Baustelle verwende, sagt Malz.

Der Einbau ist legal – unter bestimmten Bedingungen. Doch diese waren nicht erfüllt. Als die Genehmigung für das Silo kam, war es schon fertig. Der Hinweis des Landratsamtes, dort keinen Teer zu verbauen – zu spät. Der muss grundsätzlich gebunden werden, was bei Malz nicht überall geschah. Die Zufahrt hätte versiegelt werden müssen, was nie geschah. "Wir dachten, das wird schon wieder", erinnert sich der Bauherr. "Dann hat die Bank den Hahn zugedreht." Am 10. Juli 2014 begann das Insolvenzverfahren.

Damals dauerte der Kampf von Robert Uhrmann bereits fünf Jahre. Termine mit Fachstellen blieben ergebnislos, seine Alarmrufe brachten ihm eine einstweilige Verfügung des Recyclers ein und auf den vom Landratsamt angestrebten öffentlich-rechtlichen Vertrag, in dem sich alle Parteien einigen sollten, wollte sich der Milchbauer nicht einlassen. Die "Mülldeponie" auf dem Hügel bedrohte seine Existenz. Proben ergaben zwar keine überschrittenen Grenzwerte im Brunnenwasser, lieferten aber bereits auffällige Befunde. Als der Fall Malz überregional Wellen schlug, drohte die Molkerei, seine Milch nicht mehr abzunehmen. Weil er sich von der örtlichen Politik im Stich gelassen fühlte, wandte sich Uhrmann an eine Landtagsabgeordnete aus Landshut: Rosi Steinberger.

Am Donnerstag kam sie ein letztes Mal nach Großthannensteig, um sich mit Uhrmann die nun abgeschlossene Baustelle anzusehen. Seit 2014 hat sie ihn und andere Anwohner in ihrem Kampf unterstützt. Anfang 2015 kam Bewegung in die Sache: In einer Petition an den Landtag forderten Uhrmann und seine Mitstreiter den Ausbau des Teers. Der Umweltausschuss gab ihnen im Mai 2015 einstimmig recht. Zu jener Zeit erhielt das Landratsamt auch die Ergebnisse zweier Gutachten: Sie bestätigten, was die Anwohner seit Jahren sagten: Das Material sei so hoch belastet, dass es ein Fall für die Deponie sei, schrieb die Gutachterin. Ihr Fazit: Der Teer muss raus. Im Juli 2015 ordnet das Landratsamt den Ausbau an. Doch Malz war insolvent, der Recycler legte Widerspruch ein.

Verfahren am Verwaltungsgericht, Gutachten, Gegengutachten, Einsprüche und nicht zuletzt die Frage, wer wofür verantwortlich ist, fraßen weitere fünf Jahre auf. Am Ende blieb der Großteil der Aufarbeitung am Landkreis Passau hängen, der mit mehreren Ersatzvornahmen für den insolventen Bauherrn einsprang und dabei über 1,9 Millionen Euro investierte. Eine halbe Million Euro davon trug der Freistaat Bayern bei. Ob Werner Malz die Millionenrechnung jemals begleichen kann, ist mehr als fraglich. Der Landkreis hat seine Kosten beim Insolvenzverwalter angemeldet.

Insgesamt ließ das Landratsamt fast 30000 Tonnen belastetes Material entsorgen, neben Bauschutt auch kontaminierten Erdaushub. Darin wurden polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffen (PAK), Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) und schwerflüchtige lipophile Stoffe nachgewiesen. Nun ist das Gelände sauber, wie das Landratsamt bestätigt: "Die Ergebnisse der letzten Beweissicherungsproben liegen vor. Die relevanten Parameter liegen alle unter der Nachweisgrenze. Die Sanierung ist abgeschlossen."

Neulich habe er Rebhühner auf dem Gelände beobachtet, erzählt Karl Haberzettl. Der Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz fuhr mehrfach mit Uhrmann nach München, um auf die Missstände in Großthannensteig aufmerksam zu machen. Er glaubt, die Natur sei noch glimpflich davongekommen. Trotzdem hätte er sich gewünscht, dass Anwohnern und Naturschützern früher Gehör geschenkt worden wäre. "Dann hätten wir uns den riesigen Kostenaufwand sparen können."

Hutthurms langjähriger Bürgermeister Hermann Baumann sah sich oft in der Kritik. Sein Problem: Die Marktgemeinde hatte keine Handhabe. "Wir haben das Landratsamt mehrfach auf Probleme hingewiesen", sagt er. "Es hieß dann, dass sei Sache vom Landratsamt." Doch auch dort war der Einbau des Teers nicht zu verhindern, weil er nicht genehmigungsbedürftig war, nicht mal anzeigepflichtig. Ein Mitarbeiter der Behörde, der den Einbau guthieß, berief sich auf widersprüchliche Merkblätter. Ein Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Ein Merkblatt wurde nachgebessert, die Gesetzeslage hat sich jedoch nicht geändert. "Damit sind einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet", sagt Haberzettl. Die Abgabe von Teer an Private müsse verboten werden. Das forderte auch Landrat Franz Meyer wiederholt. Die Verwendung ist jedoch nach wie vor nicht verboten. Der Landkreis habe sich in dieser Sache an das bayerische Umweltministerium gewandt, teilt das Landratsamt mit. Das Ministerium bleibe aber bei der Einschätzung, "dass die Verwendung des Materials Ressourcen schont". Freistaat und Bund verwenden teerhaltiges Material im Straßenbau jedoch nicht mehr.

Landratsamt prüft weitere Teer-EinbaustellenMehrfach versuchten die Grünen, das Gesetz im Landtag zu ändern – vergeblich. Nun startet Rosi Steinberger einen neuen Versuch, um weitere Fälle wie in Hutthurm zu verhindert. Als "tickende Zeitbomben" bezeichnet sie die Teer-Einbaustellen, von denen das Umweltministerium 2017 allein für den Landkreis Passau 16 auflistete. Das Landratsamt forderte zu allen Gutachten an. "In einigen Fällen besteht bzw. bestand Handlungsbedarf. In drei Fällen wurden die Bauherren per Anordnung zur Durchführung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet. In vier Fällen wird der Erlass einer Anordnung vorbereitet", teilt die Behörde mit. "In jedem Fall werden die Bauherren zur dauerhaften Erhaltung der Sicherung durch wiederkehrende Kontrollen verpflichtet."

Der Hutthurmer Teer-Skandal hat viele sensibilisiert. Oder wie Robert Uhrmann sagt: "Durch den Fall Malz hat Bayern viel gelernt." Er kann nun beruhigt auf den Hügel mit der Zelthalle blicken. "Ich hoffe, dass man was Vernünftiges daraus macht und nicht das nächste Abenteuer anfängt", sagt er. Das Gelände mit der tiefen Erdgrube, wo einst das Silo stand, und dem verwaisten Stall gehört noch immer Werner Malz. Wegen des Teers wurde es nie in die Insolvenzmasse aufgenommen. Verkaufen möchte er nicht, wie er sagt. Konkrete Pläne gebe es aber noch nicht. Er will nichts überstürzen. Nie wieder.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 30.05.2020
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Kategorie

Umwelt

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