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20.04.21 –
Eine vielbefahrene Staatsstraße, die durch zwei beschauliche Ortschaften führt: Seit langen Jahren leiden die Menschen in Neuburg und Dommelstadl unter tonnenschweren Lastwagen und tausenden Autos, die täglich an Schule, Kindergarten und den Wohnhäusern vorbeidonnern. Nun naht die Ortskernsanierung – und damit die Ertüchtigung der Staatsstraße. Das hat die Diskussion um eine Ortsumfahrung neu entfacht.
Deshalb hatte Marc Kuhnt, Vorsitzender der Neuburger Grünen, zusammen mit SPD und ÖDP ein digitales Diskussionsformat initiiert: "Neuburg diskutiert digital". 40 Teilnehmer schalteten sich am Donnerstagabend zu, als unter der Moderation von Valerie Müller debattiert wurde. Drei Minuten Redezeit räumte sie den Sprechern nacheinander ein. Geladen waren Gemeinderatsparteien, die Bürgerinitiative "Verkehr", ortsansässige Unternehmer sowie ein Anwohner aus Kopfsberg. Die Diskussion zeigte: Es stehen noch viele Fragezeichen im Raum – wie eine mögliche Trasse ausschauen könnte und wie die CSU zum Thema steht. Diese hatte nämlich als einzige Partei im Gemeinderat keinen Sprecher entsandt – schlichtweg, weil keine einheitliche Meinung innerhalb der Partei besteht.
Eine Nachfrage im Rathaus bei CSU-Bürgermeister Wolfgang Lindmeier. Er selbst hat nicht am Zoommeeting teilgenommen, weil er eine Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht hält – er will konkretere Information seitens des Staatlichen Bauamts abwarten. Mehrmals hat er dort angefragt, ob nicht ein Vertreter im Bauausschuss über Trassenführungen informieren könnte. Bisher wurde er vertröstet.
Nur so viel weiß er schon: "Die jetzige Trasse kommt nicht mehr in Frage." Die Wohnbebauung habe sich ausgebreitet, eine Trasse, wie sie 2008 geplant war, müsste nach Westen verlegt werden. Ihm schwebt aber ohnehin eine ganz andere Lösung vor. "Die ideale Lösung wäre eine Untertunnelung, also ein Tunnel von Vornbach bis zur Einfahrt Brummer. Tunnellösungen gibt es vielfach in Österreich und Italien." Bei einem Tunnel wäre auch der Eingriff in die Natur nicht so groß. In zehn bis 15 Jahren könnte diese Lösung umgesetzt sein. Für den Moment aber hat er eine kurzfristigere Lösung im Blick: "Vielleicht kriegt man es hin, das Lkw-Fahrverbot auf ein Nachtfahrverbot auszuweiten", sagt er.
Innerhalb der CSU ist man sich beim Thema Ortsumfahrung uneins. "Die Fraktion wird nicht geschlossen für irgendwas stimmen, jeder soll nach seinem gesunden Menschenverstand stimmen", so der Bürgermeister. Auch er selbst will sich noch nicht festlegen, ob er für oder gegen eine Ortsumfahrung stimmen würde – das macht er ganz von den Möglichkeiten einer Trasse abhängig, die das Bauamt präsentieren wird. "Noch ist nichts spruchreif", sagt Lindmeier. Verkehrsbelastung, Eingriff in die Natur, Geschäfte, die vom Durchgangsverkehr profitieren – das Thema sei eben komplex.
Von der Tunnellösung hatte bei der digitalen Diskussion freilich noch keiner was gehört – hier gingen die Sprecher von der Trasse von 2008 aus. Und bei der blute ihr das Herz, wie sie sagte: Ursula Raida sprach für die FWG. "Die Umfahrung würde durch sehr naturbelassene Gebiete führen", bedauerte sie, andererseits sah sie den "extremen Verkehr, den wir sonst nicht rausbringen". Bei der FWG sei man gespaltener Meinung. Wenn Umfahrung, so Raida, sollte man diese aber gleich mit einem Radweg verbinden.
"Unser Ziel ist es, den Schwerlastverkehr auf die A3 zu verlagern", erklärte Peter Prinz-Hufnagel (Bündnis Bannwald/ÖDP) – hier vermisse er den politischen Willen. Die Ortsdurchfahrt solle unattraktiv für den Transitverkehr gestaltet werden, durch Einbahnregelung, geringe Fahrbahnbreite, Kreisverkehr und Tempolimits, schlug er vor; auch der Transit-Pkw- und der lokale Lkw-Verkehr müsse aus den Orten rausgebracht werden. "Wir stellen uns nicht gegen eine Ortsumfahrung im Allgemeinen, sind aber gegen die jetzige Trassenführung", so Prinz-Hufnagel. Er forderte ein neues Verkehrsgutachten und großräumigeres Denken, also auch den "drohenden Verkehrsinfarkt der Stadt Passau, die Verlagerung von Verkehr auf die A94 und das Autobahnkreuz Pocking" mitzubedenken.
Alle Lkw auf die parallel verlaufende A3 zu verbannen, wäre die schonendste Lösung, meinteJoachim Eder (SPD). Viele Briefe hat die Gemeinde bisher geschrieben, ohne Erfolg. Deshalb Eders Schlussfolgerung: "Nur Briefe schreiben, ist sinnlos. Die bayerische CSU-Regierung verhindert alle Lkw-Durchfahrtsverbote. Eine verkehrsberuhigte Staatsstraße ist nicht realisierbar." Er befürchtete, dass durch die Ortskernsanierung "Rennstrecken" entstünden – und sprach sich klar für eine Ortsumfahrung aus. Dann könnten echte Orte mit einem Anger, Fahrradwegen, Verkehrsinseln geschaffen werden.
"Das Wichtigste sind die Menschen", fand auch Alois Meier (Bürgerliste). Eine Verpflichtung für Lkw, über die A3 zu fahren, werde die Gemeinde nicht erreichen. "Wir müssen uns mit einer Umgehung anfreunden, die aber möglichst wenig in die Natur eingreift", meinte er. Weil die bis zur Realisierung 10 bis 15 Jahre brauche, empfahl er bis dahin, die Ortsdurchfahrt möglichst unattraktiv zu gestalten.
"Wir lehnen eine Ortsumfahrung strikt ab", erklärte hingegen Eike Hallitzky (Grüne). Die Verkehrsbelastung sei unerträglich, ja – aber eine Umgehung sei keine sinnvolle Lösung. Die jetzige Trasse würde das neue Baugebiet, Einzelgehöfte und Kopfsberg belasten, eine Erweiterung Dommelstadls unmöglich machen und bedeutete einen erheblichen Flächenverbrauch. "Der Fokus muss auf verkehrsbeschränkenden Maßnahmen liegen. Wir müssen dafür kämpfen, den Lkw-Verkehr auf die A3 zu bekommen", so Hallitzky. Er sprach sich dafür aus, dass die Teilsperrung für Lkw über zwölf Tonnen ausgeweitet werde – und erklärte, er hoffe auf eine "weniger autofixierte Verkehrspolitik" nach der Bundestagswahl.
"Wir kämpfen seit 2015 gegen die Verkehrsbelastung, wir haben uns fünf lange Jahre auf Verkehrsbeschränkungen konzentriert – der Erfolg ist bescheiden", konstatierte Eva Nistler, die sich für die Bürgerinitiative "Verkehr" für eine Ortsumgehung aussprach. Die Landesbehörden würden Verkehrsbeschränkungen ablehnen. "Und freiwillig auf die A3 funktioniert nicht", meinte sie. Bis zum Bau einer Umfahrung sei die Ertüchtigung der Staatsstraße unbedingt zu verhindern.
Für eine Gruppe von Anrainern sprach Christoph Part aus Kopfsberg. "Wir sind absolut gegen die geplante Trasse, das würde die Probleme nur zu uns verlagern", sagte er. 35 Anrainer seien direkt betroffen, 400 hätten bereits gegen die Trasse unterschrieben.
Im nächsten Schritt verlas Moderatorin Valerie Müller Statements von drei ansässigen Unternehmen. Die Gärtnerei Küblbeck sprach sich gegen eine Umfahrung aus, die Schreinerei Roßmeier dafür, und auch das Unternehmen Brummer Logistik war für eine Umfahrungsstraße.
DISKUSSIONNach 30 Minuten startete die Diskussion, zu der Fragen über den Chat gestellt werden konnten. Würde sie einer Enteignung ihrer Mitbürger zustimmen, weil ja derzeit keiner Grund für eine Umgehung verkaufen wolle, wurde Eva Nistler gefragt. Es gebe ja noch keine feste Trasse, so Nistler. Die letzten fünf Jahre hätten ihr gezeigt, dass es nur auf eine Umfahrung rauslaufen könne, Beschränkungen seien nicht durchsetzbar. "Paragraph 45 der Straßenverkehrsordnung ist sehr eng gefasst. Verkehrsbeschränkungen sind durchsetzbar, wenn es um Mautausweichverkehr gehen würde – hier haben wir aber Grenzkontrollausweichverkehr." Sie habe bei der Änderung der StVO 2020 vorgeschlagen, einen neuen Passus aufzunehmen – doch kein Politiker habe positiv reagiert. Nistler: "Wir könnten auch mit anderen Lösungen leben als einer Umfahrung, aber die sind nicht durchsetzbar."
Hallitzky hingegen hielt es für unrealistisch, dass eine völlig neue Trasse geplant werde. "Auch wenn der rote Strich nicht sakrosankt ist, so ist es fernab jeder Erfahrung, dass nochmal ganz neu geplant wird. Auf jeden Fall sind Privatgrundstücke betroffen." Er sprach Enteignungsverfahren und Klagen gegen die Umfahrung an. Auch Prinz-Hufnagel meinte: "Es wird keine teure Lösung geben, nur um wenige Bürger zu schonen. Wir müssen den Verkehr auf die A3 zwingen."
Das Thema Bürgerentscheid kam auf. "Den will eigentlich keiner: Der schafft zwar eine klare Entscheidung, aber spaltet eine Gemeinde", meinte Hallitzky.
Warum es kein Nachtfahrverbot durch Neuburg geben könne, wurde im Chat gefragt. "Das ist eine Frage des politischen Willens. Das macht uns ja alle so aggressiv, weil wird das politisch Vernünftige nicht umsetzen können", so Hallitzky. Nistler antwortete, sie beobachte täglich Lkw in dreistelliger Zahl, die in die verbotene Richtung fahren – selbst das derzeitige, klare Durchfahrtsverbot werde umgangen, weil es nicht kontrolliert wird.
• Die Online-Diskussion wurde aufgezeichnet und kann auf der vom Neuburger Joachim Rathke betriebenen Internetseite abgerufen werden: www.buergerforum-neuburgaminn.com
Quelle: Passauer Neue Presse vom 17.04.2021
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