Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Eike Hallitzky: Rede zum Kreishaushalt 2016

Zuallererst sind es zutiefst humanitäre Gründe, warum wir Menschen die Türen nicht verschließen dürfen, die vor Krieg und Bürgerkrieg geflohen sind. Offene Grenzen sind aber auch in unserem ureigensten wirtschaftlichen Interesse.

29.02.16 –

Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit dem Fall der Grenzen hat sich unsere Region rasant entwickelt. Physisch und mental offene Grenzen nach Tschechien und Österreich sind die Voraussetzung für die vielfältigen Verflechtungen, die durch die Europaregion Donau-Moldau oder auf vielen anderen Wegen zwischen dem Passauer Land, Österreich und Tschechien seither gewachsen sind.

Es sind deshalb natürlich zuallererst zutiefst humanitäre Gründe, warum wir die Türen nicht schließen dürfen, wenn Menschen, die vor Krieg und Bürgerkrieg geflohen sind, anklopfen, um bei uns um Schutz zu suchen.

Offene Grenzen sind aber auch in unserem ureigensten sozialen und wirtschaftlichen Interesse!

Deshalb: Wer heute nationale Grenzsicherung und Abschottung als Reaktion auf die zahlreichen Schutzsuchenden fordert, der schadet kaum einer Region so sehr, wie uns. Offene Grenzen, das ist das Lebenselexier für das exportorientierte Ostbayern, Grundlage unseres privaten und gesellschaftlichen Wohlstandes.

Unsere Fraktion wirbt deshalb nachdrücklich dafür, dass die Repräsentanten unseres Landkreises in all ihren öffentlichen Botschaften unser "Ja zu offenen Grenzen" betonen.

Wir wissen sehr wohl über die Stärke des auf Harmonie bedachten Stils unseres Landrates nach innen. Die Grünen würden sich aber sehr wünschen, dass vom Landrat des größten ostbayerischen Landkreises nicht die Staatsregierung aus Parteiräson dort gelobt und geschützt wird, wo es aus Sicht unseres Landkreises nichts zu loben und zu schützen gibt.Die Frage, welches Bundesland am meisten tut bei Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, ist nicht zu beantworten. Das liegt daran, dass das eine Bundesland Gelder verstärkt an die Kommunen gibt, andere damit die Kitas oder das Schulsystem ausbauen oder andere Betreuungssysteme stärken und wieder andere verstärkt den Wohnungsbau fördern.
Dass sich diese Frage aber gar nicht beantworten lässt, das verweist auf ein zentrales Problem der Integrationspolitik: Es gibt keine Flüchtlingspolitik aus einem Guss, weder auf Bundesebene noch auf Landesebene noch auf kommunaler Ebene.

Zwei Beispiele dazu:

  • Erstes Beispiel: Im Herbst wurden Sprach- und Integrationskurse mit übrigen Mittel der Bundesarbeitsagentur gefördert, die bayerischen VHS weiteten daraufhin ihr Angebot an Sprachkursen deutlich aus - und stampften ihre Angebote Anfang diesen Jahres z.T. wieder ein, weil die Gelder der BA verbraucht waren und neue nicht zur Verfügung standen. Unsicherheit bei der Finanzierung von Sprachkursen, das geht gar nicht!
  • Zweites Beispiel: In der Gemeinde Neuburg am Inn, in der Marktgemeinde Untergriesbach, die bisher vergeblich versucht, die Unterstützung der Regierung von Niederbayern für ein 100-Flüchtlinge-Haus im Ortszentrum zu bekommen, und in vielen anderen Gemeinden des Landkreises wird sich vor Ort bemüht, Wohnen und Integration zusammen zu denken. Wir alle wissen doch, dass satt und trocken nicht genügt, dass Integration für beide Seiten - für die Flüchtlinge wie für uns als Aufnehmende Gesellschaft - das A und O des Gelingens ist. Deshalb ist es nicht gut, wenn die Regierung sich alleine ums Wohnen kümmert, während sie auf die Integrationskraft der Orte, auf mögliche Helferstrukturen, keine Rücksicht nimmt. Die Verantwortung für Wohnen und Integration muss zusammengeführt werden!

Wir brauchen in Deutschland, in Bayern und auch bei uns im Landkreis feste Strukturen. Wir brauchen eine Festlegung zwischen den Gebietskörperschaften, wer was tut und wer wofür bezahlt und was dann noch dauerhaft Aufgabe des Ehrenamtes sein kann.

Für unsere Fraktion darf ich an dieser Stelle heute bereits einen Antrag ankündigen, der den Aufbau eines solchen Struktur, eines Integrationszentrums für den Landkreis Passau, zum Inhalt haben wird. Nur so ist ein umfassendes Netz möglich, das jedem Flüchtling die Chance auf Spracherwerb, Integration und Arbeit gibt - und ihn somit zum Gewinn für uns alle werden lässt.

Und nur so ist auch möglich, zu einer stabilen Aussicht darüber zu kommen, welchen Anteil welche Gebietskörperschaft auf Dauer zu tragen hat und mit welchen Summen wir als Landkreis zukünftig zu planen haben.

Damit sind wir beim aktuellen Kreishaushalt. Auch wenn ein Großteil der Aufwendungen für Flüchtlinge für uns kostenneutral sind, verbleiben - geschätzt - Ausgaben in Höhe von knapp 3,5 Millionen im Landkreishaushalt, u.a. im Bereich der allgemeinen Verwaltung, der Sozialverwaltung der Ausländerbehörde und im Jugendamt.

Und wenn wir sehen, dass zum dafür andere Aufgaben, z.B. in der klassischen Jugendarbeit dafür ausgedünnt werden müssen und trotzdem ein irrsinniger Aufwuchs von Überstunden stattfindet, dann wissen wir, dass diese Ausgaben mittelfristig nicht sinken werden.

Vor allem aber gilt angesichts des Wissens, was hinter all diesen Überstunden steht, gerade an dieser Stelle unser Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landratsamtes:

Sie alle haben im letzten Jahr eine tolle Arbeit unter außergewöhnlich herausfordernden Bedingungen geleistet. Das werden Ihnen die politischen Vertreter des Landkreises nicht vergessen.

Zur Frage der Höhe der Kreisumlage wurde heute schon einiges gesagt. Jeder Novize bei einer Haushaltsdebatte lernt als allererstes: Die Bürgermeister-Fraktion will möglichst wenig Kreisumlage zahlen und sie hat gute Gründe dafür. Und die anderen wollen den Landkreis vorm Ausbluten schützen und auch sie haben gute Gründe dafür.

Der Vorschlag, die Kreisumlage um einen Prozentpunkt auf 44,5% zu senken, ist da ein guter Kompromiss. Mit dieser - im Niederbayern- und Bayernvergleich sehr niedrigen - Umlage bleibt beiden Seiten Luft zum Atmen.

Luft zum Atmen, das braucht der Landkreis, um im Saldo von Bruttokreditaufnahme und geplanter Tilgung zumindest einen kleinen Rückgang des Schuldenstandes anzugehen - eines Schuldenstandes, der ja immer noch über 40 Millionen Euro beträgt. 40 Millionen, plus unseren ebenfalls zweistelligen Millionenschulden bei ausgelagerten Betrieben und Einrichtungen, vor allem

  • der Krankenhaus GmbH
  • der Kreiswohnungsbau
  • sowie beim Berufsschulzweckverband,

Das Ziel unsere Schulden zurückzuführen, dürfen wir auch deshalb nicht aus dem Auge verlieren, weil wir nicht immer eine Niedrigst-Zinsphase haben werden.

Luft zum Atmen, die muss der Landkreis aber auch wegen seiner absehbaren Ausgaben behalten, auch jenseits der großen finanzieller Herausforderungen in der Integrationspolitik.

Denn wir haben eine Fülle von Investitionen vor uns, ich nenne nur

  • das Gymnasium Untergriesbach
  • und das im Bau befindliche Förderzentrum in Pocking,

die aus unserer uneingeschränkten Verantwortung für unsere Schulen erwachsen sind.

Ebenso hätte ich hier auf den Millionen-Investitionszuschuss an die KKH-GmbH verweisen können oder auf die Kosten der Sanierung unserer Infrastrukturen, unserer Kreisstraßen und Brücken, auf die Förderung des Breitbandausbaus. Ich glaube gerade mit dem Breitbandausbau und mit dem Engagement für die Energiewende - an dieser Stelle ein herzlicher Dank an die Herren Kaiser und Ranzinger - sind wir auf einem guten Weg!

Und für den Vilshofener Bürgermeister mag es ein kleiner Trost sein, dass seine größeren Umlagensenkungs-Wünsche auch deshalb wohl nicht vollumfänglich zu erfüllen sind, weil mit dem Neubau der Berufsschule in Vilshofen ein großer finanzieller Kraftakt geleistet werden wird, hinter dem der Kreistag geschlossen steht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

natürlich sind wir nicht mit allem einverstanden, was in und um das Landratsamt herum so alles passiert.

Ich habe ja zu Beginn bereits dargelegt, dass wir uns im Hinblick auf die Äußerungen der CSU-Spitze zur Flüchtlingspolitik ein klares Eintreten unseres Landrates für offene Grenzen wünschen würden, ja, es für notwendig halten.
Und selbstverständlich sind wir mit der Verkehrspolitik des Landkreises keineswegs immer einverstanden. Ich nenne hier nur

  • die regelmäßigen Forderungen nach neuen Straßen, insbesondere soweit sie von Bund oder Land gezahlt werden müssten,
  • das Festhalten am mittlerweile ziemlich anachronistischen Autobahnzubringer-Zweckverband.

Nochmals in aller Klarheit: Wenn wir mit unseren knappen Landkreismitteln unsere Straßen - und wir haben ja wirklich keinen mittelalterlichen Ausbauzustand sondern bereits jetzt das längste Kreisstraßennetz alle bayerischen Landkreise - in Schuss halten können, haben wir hier unsere Aufgaben gut erfüllt.

Beispielhaft für fehlenden Willen zum verkehrspolitischen Umsteuern darf ich hier auch auf unser Eintreten für die Ilztalbahn als ein mögliches Rückgrat des ÖPNVs verweisen und auf unser Bedauern, dass dies im Kreistag mehrheitlich nicht durchgedrungen ist.

Und wo wir schon beim ÖPNV sind: Die Stadt ist ja bekanntlich aus der Kooperationsvereinbarung mit dem Landkreis ausgestiegen. Wenn es dann stimmt, dass in jeder Krise eine Chance steckt: Setzt euch doch mal so richtig zusammen und beratet über einen g´scheiten Verkehrsverbund mit einem Ticket für die Gesamtregion! Es kann doch nicht sein, dass bei uns nicht geht, was andernorts seit Jahren Selbstverständlichkeit ist.

Ja, und wir wollen die Gynäkologie und die Geburtshilfe in Rotthalmünster erhalten. Was spricht dagegen, dass wir die Versicherungskosten für die Hebammen übernehmen, wenn der Standort sonst nicht wiederaufleben kann? Andere Krankenhausträger machen das doch auch.

  • Von der Verringerung des Flächenfraßes
  • über die wünschenswerte Kooperation mit dem Klinikum Passau, was mit der neuen Leitung einen neuen Anlauf verdienen würde
  • bis zur noch etwas zögerlichen Umsetzung einer Initiative Bioregio zur Stärkung unserer regionalen Landwirtschaftsstrukturen

Es gäbe noch viele andere Themen zu benennen, die bearbeitet werden müssen, bis unser Landkreis so richtig rund in eine erfolgreiche nachhaltige Zukunft läuft.

Aber Anfänge sind gemacht.

Und weil das so ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen die Grünen dem Haushalt zu.

Mit dieser Zustimmung verbinden wir natürlich auch die Hoffnung, dass sich der Landkreis künftig noch ein wenig stärker in die von uns skizzierte Richtung bewegen wird.

Und wir anerkennen mit unserer Zustimmung

  • auch den konsensualen Stil von Landrat Meyer - das ist gut so, lieber Franz -
  • sowie die gute Arbeit unseres Kreiskämmerers Herrn Dorschner und seines Teams
  • und - ich denke dazu ist heute die richtige Gelegenheit - die gute Arbeit der vielen starken Persönlichkeiten in unserer gesamten Landkreisverwaltung.

Herzlichen und großen Dank an Sie alle, an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!

Und vielen Dank an die Mitglieder des Kreistages für die in aller Regel sehr konstruktive Zusammenarbeit!

Eike Hallitzky, Fraktionssprecher der Grünen im Passauer Kreistag
29. Feb 2016

Kategorie

Bildung | Finanzen | Gesundheit | Integration | Verkehr | Wirtschaft

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