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09.05.22 –
Ende 2019 hat der Kreistag eine Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen. Wie weit ist der Landkreis zweieinhalb Jahre später mit der Umsetzung? Dazu gab Peter Ranzinger, Klimaschutzbeauftragter am Landratsamt Passau, zum ersten Mal einen Zwischenstandsbericht im Umweltausschuss auf Schloss Neuburg. Der Maßnahmenkatalog ist umfangreich, Ranzinger riss einzelne Themenfelder nur an. Sein Fazit: "Wir sind gut dabei."
Drei Personen am Landratsamt Passau – Peter Ranzinger, Martin Neun und Sabrina Hoffmann – sind für die Nachhaltigkeitsstrategie zuständig. "Eigentlich sind aber alle involviert", sagt Ranzinger, denn bei der Umsetzung von Projekten sind Abteilungen von ÖPNV, Fuhrpark über Hochbau bis hin zu Schulverwaltung beteiligt. "Wir planen mit einem Budget von 80000 bis 90000 Euro pro Jahr, das reicht auch", erklärt Ranzinger. Für 2020 bis 2025 hat der Landkreis die Summe von 481000 Euro an Kosten eingeplant. Die Aufgabe seines Teams bestehe lediglich in der Bewusstseinsbildung – wenn Maßnahmen umgesetzt werden wie Radwegebau, planen und zahlen das die Kommunen. An der Stelle hake es noch, fand Ranzinger: "Wo Kommunen und Unternehmen beteiligt sind, war es manchmal schwierig, aber wo nur wir selbst beteiligt sind, läuft es gut."
Ranzingers Einschätzung nach soll die Aufmerksamkeit zukünftig auf Regenrückhaltesystemen und der Entsiegelung von Flächen liegen. "Das müssten wir uns noch anschauen – ansonsten liegen wir im Plan." Landrat Raimund Kneidinger kommentierte: "Es passiert sehr viel."
Saubere Energie
Jahr um Jahr erhöht der Landkreis Passau die Anzahl der PV-Anlagen auf Dächern eigener Gebäude. Seit Ende 2019 ist nur eine Anlage hinzugekommen, auf dem Dach der Realschule Bad Griesbach, erläuterte Ranzinger. Zwei sind für 2022 in Planung: eine Dachanlage fürs Gymnasium Untergriesbach, eine weitere für die Realschule Bad Griesbach, mit einer Leistung von insgesamt 250 kWp.
Der Bauhof Patriching soll noch heuer eine Hackschnitzelanlage erhalten; außerdem ist ein Konzept für Klärschlammverwertung in Auftrag gegeben, nach dem drei bis vier dezentrale Verwertungsstandorte im Landkreis Passau entstehen sollen und bei dem die Verwertung zur Wasserstoffgewinnung miteinbezogen werden soll. Außerdem sind 505 Gutscheine zur Erstenergieberatung seit 2019 an Landkreisbürger vergeben worden, berichtete Peter Ranzinger.
Nachhaltige Gemeinden
"Radverkehr stand 2021 im Mittelpunkt", erklärte Peter Ranzinger. Zunächst sei eine Bestandsanalyse erfolgt, die im südlichen Landkreis Lücken zwischen Neuburg und Kohlbruck und zwischen Fürstenzell und Passau ergaben. "Wir haben es geschafft, dass zwischen Dommelstadl und Kohlbruck ein Radweg entlang der Staatsstraße gebaut wird. Die Strecke wird gerade vermessen, der Bau erfolgt 2024", verkündete Ranzinger. Die Radverbindung von Fürstenzell nach Passau soll quer über Rehschaln entstehen. Im Norden werde der Radwegebau durch Erlau und Ilz und die dazwischen liegenden Täler erschwert. Ein weiterer Antrag liege zur Verbindung Thyrnau-Hauzenberg vor. Auch für Pocking, Kirchham, Tettenweis und Tittling seien Projekte in Planung. Sein Fazit lautete zumindest: "Wir konnten Impulse setzen, um die Radinfrastruktur zu verbessern."
An gut frequentierten Kreuzungspunkten von Radwegen und ÖPNV sollen Mobilitätsstationen entstehen, also absperrbare Rad-abstellanlagen – der Landkreis unterstützt Fürstenzell und Hauzenberg beim Bau. Pocking baut selbst eine Station an der Bahn, mit 90 Prozent Förderung. Auch hier gilt: Der Landkreis stößt nur an. "Die müssen selbst den Antrag dafür stellen", erklärt Ranzinger.
Der Freistaat hat zudem das ehrgeizige Ziel ausgegeben, Radverbindungen zwischen allen Orten zu schaffen. "Unsere Aufgabe ist es, Strecken dafür zu finden. Heuer finden Befahrungen statt", kündigte Ranzinger an. Eine einheitliche Beschilderung gebe es dann auf Kosten des Freistaats.
Zur Innenraumentwicklung ist ein Coworking-Projekt angestoßen, bei dem Büros für eine gewisse Zeit gebucht werden können. "Ein Ingenieur oder Start-ups könnten sich einmieten", glaubte Ranzinger. Er räumte ein: "Das ist ein schwieriges Thema auf dem Land, das ist vielleicht nicht rentabel." Den Zuschlag für das Projekt hat Hauzenberg bekommen, auch weil es mit Leerstand kämpfe. "Das soll probeweise zwei Monate laufen, wir sind in der Konzeptionsphase."
Nachhaltiger Konsum
Für die Mitarbeiter des Landratsamtes wurden Schulungen durchgeführt, wie man nachhaltig für die Arbeit benötigte Materialien beschafft. Schulungen für Kinder an Schulen seien wegen Corona größtenteils ausgefallen, informierte Ranzinger, jedoch gab es Lehrkräftefortbildungen. Beim Projekt "Gemüseackerdemie" kriegen die Schulen kostenlos Biopflanzen. Die Beete werden gemeinsam geerntet. Im Moment nehmen sechs Schulen und drei Kindertagesstätten teil. 2021 sei zudem ein Projektfilm gedreht worden, der nach und nach an den Schulen gezeigt wird. "Im Film geht es um globale Zusammenhänge – es wird erklärt, welche Auswirkungen es global hat, wenn jemand eine Jeans in Deutschland kauft", so Ranzinger.
Klimaschutz-Maßnahmen
Der Energieverbrauch von Landratsamt und Wirtschaft sinkt – der der Landkreisbürger aber steigt, von 2016 bis 2018 um 4,6 Prozent. "Ab 2023 müssen wir Kompensationsmaßnahmen in Betracht ziehen", so Ranzinger. Weitere Maßnahmen: eine Startbilanz für ein CO2- neutrales Landratsamt, Ausschreibung von Ökostrom und Ökogas, Umstellen der Pkw-Flotte auf CO2-neutrale Fahrzeuge.
Leben an Land
"Unser Ziel war es, fünf Schulen zu finden, die ihr Umfeld naturnah umgestalten", erklärte Ranzinger. Sieben Schulen und drei Kindertagesstätten machen seit 2020 mit. Sie führen Pflanzaktionen durch und gestalten ganze Flächen um.
Modellkommune für Bauhoftraining zu naturnahem öffentlichen Grün wurde Hutthurm: Mit Naturgartenplanern werden heuer drei Flächen umgestaltet.
Globale Partnerschaften
Der Landkreis ist im Senegal eine Klimapartnerschaft mit Kedougou eingegangen. Koordiniert wird das Projekt von Sabrina Hoffmann. Mittels Spenden wurden außerdem zwei Schulprojekte realisiert: In einer Grundschule in Tansania sind für 600 Kinder fünf Klassenräume saniert, Toiletten und ein Schlafsaal gebaut worden. In einer Schule in Uganda sind drei Klassenräume entstanden, wo 180 Kinder unterrichtet werden.
DISKUSSION UNTER DEN KREISRÄTEN: KRITIK VON DEN GRÜNEN AM "SCHNECKENTEMPO"
Kreisrat Andreas Winterer (SPD) urteilte: "In vielen Fällen wird der Landkreis seiner Vorbildfunktion gerecht. Ich habe aber geschluckt, als ich gesehen habe, dass die Emissionen der Landkreisbevölkerung um fünf Prozent zugenommen haben." Peter Ranzinger erklärte, dies liege an der steigenden Bevölkerungszahl des Landkreises, am großen Wohnraumverbrauch pro Kopf ("da sind wir bayernweit vorne") und an steigenden Pkw-Zulassungszahlen.
Neben ihm hatte nur Frédéric-Sascha Müller (Grüne) einen Kommentar zur bisherigen Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie vorbereitet. "Ich möchte kritisch anmerken, dass das bisher Beschlossene längst nicht ausreicht", erklärte er. Müller sprach von einem "Schneckentempo" bei der Wärmewende, weil nur eine Hackschnitzelanlage geplant werde und 99,5 Prozent aller Haushalte im Landkreis nicht über die Energiegutscheine erreicht würden. Er bemängelte, dass nur zwei Mobilitätsstationen gefördert werden und mahnte, dass sich der Landkreis endlich eindeutig zur Granitbahn und Ilztalbahn bekennen müsse. "Bei den PV-Anlagen auf Dächern müssen wir viel, viel schneller werden und konsequent die Energie selbst nutzen", befand er. Der Landkreis habe Strahlkraft – und wenn der warte, bis sich Stromspeicher rentierten, würde der Bürger auch abwarten. Am Ruhmannsberg gebe es eine geeignete Fläche für Windkraft – der Landkreis soll hier unterstützend wirken. "Wir brauchen eine dezentrale Versorgung, wir müssen Gas geben", sagte Müller. Der Landrat unterbrach ihn genervt: "Wir brauchen keine allgemeinpolitischen Thesen aus dem Grünen-Parteiprogramm." Dass der Landkreis gegen die Bahn sei, bezeichnete er als "Legende": "Wenn der Schülerverkehr nicht leidet, sind wir nicht dagegen."
Die übrigen Kreisräte pickten sich einzelne Aspekte heraus. Kreisrat Johann Meier (AfD) merkte an, dass laut Auskunft eines Imkers ihm gegenüber von Blühflächen an großen Straßen abzuraten sei. "Das ist kontraproduktiv für die Bienen, die in der Dämmerung in die fahrenden Autos fliegen und sterben", sagte er. Die Aussage blieb im Gremium unkommentiert. Anni Regner (CSU) fand: "Die Lebensmittelverschwendung ist dramatisch, von Verbrauchern, Gastronomie und in der Verarbeitung." Sie fragte Ranzinger, wie man im Kleinen was ändern könne. Der Klimaschutzbeauftragte sah das Hauptproblem bei den Erzeugern und im Handel. "Wenn die Karotte zu groß für den Karton ist, wird sie weggeworfen", sagte er. Josef Stemplinger (CSU) hingegen meinte, dass für den Supermarkt unpassende Lebensmittel als Futtermittel, zur Vitamingewinnung oder zur Vergärung hergenommen werden. "Das ist nicht das Problem – das Problem sind große Büfettessen. Das ist die große Verschwendung." Franz Sebele (ÖDP) fragte angesichts der geänderten 10H-Regelung nach Flächen für Windenergie im Landkreis. "Ich wünsche mir einen Anschub für die Gemeinden." Raimund Kneidinger wiegelte ab: "Die Planungshoheit liegt bei den Gemeinden, wir sind nur die Genehmigungsbehörde." Ranzinger verwies auf den Windatlas Bayern – und der Landrat kommentierte: "Die Investoren wissen, wie die Windgeschwindigkeiten sind – die 10H-Regel alleine ist es nicht."
Alexander Sagberger (ÜW) äußerte den Wunsch nach mehr Hilfe bei der Suche nach dem richtigen Förderprogramm für Radwege. "Das ist sehr verwirrend – es ist schwierig, das am besten geeignete Programm herauszufinden", meinte er. Peter Ranzinger war seiner Meinung: "Es läuft ziemlich unkoordiniert bei der Förderung. Es gibt 23 Förderprogramme, das ist unübersichtlich und kompliziert – das richtige Programm zu finden, ist schwierig." Hemmschuh sei meistens der Grunderwerb, so Ranzinger: "Deshalb scheitern fast alle Radwege." Den Kommunen legte er eine Fördermaßnahme des Bundes ans Herz, bei der lediglich ein Pachtvertrag, aber kein gekaufter Grund notwendig sei – jedoch sei der Fördersatz geringer.
Johann Meier (AfD) verkündete schließlich noch, er wolle in Tettenweis zusammen mit einem Partner ein Wasserkraftwerk bauen. Er kritisierte importierten Fairtradezucker und wies stattdessen auf die Zuckerfabrik in Plattling hin, die Zucker aus heimischen Zuckerrüben gewinnt.
Quelle: Passauer Neue Presse vom 04.04.2022
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