Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Der einzige Schutz liegt in der Oberpfalz

Kreisrätin und Ärztin warnen: Landkreis ist auf einen GAU in Temelin oder Ohu nicht ausreichend vorbereitet

20.07.16 –

Halo Saibold kann nicht locker lassen - und das steht sogar auf dem T-Shirt, das sie trägt: "Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv." Die Grünen-Kreisrätin sorgt sich um das Wohl der Bürger für den Fall, dass in Temelin oder Ohu ein atomarer Unfall geschieht. Ein Schutz gegen freigewordene Radioaktivität, die wie 1986 nach dem GAU in Tschernobyl durch ungünstige Wettereinflüsse über weite Strecken transportiert werden kann, ist zwar nur bedingt möglich. Aber selbst das Mögliche werde nicht ausgeschöpft, beklagt Saibold.

Schon vor dem fünften Jahrestag des Unglücks in Fukushima, Anfang März, hatte sie einen Fragenkatalog ans Landratsamt geschickt. Mit den umfassenden Antworten will sich Saibold nicht zufrieden geben - und legt noch einmal nach, denn: "Als unverbesserliche Optimistinnen sehen wir doch die Notwendigkeit von Vorsorge- und Schutzmaßnahmen im Landkreis und in Niederbayern."

Die zweite "Optimistin" ist Allgemeinärztin Dr. Christina Dietz aus Fürstenzell. Gemeinsam legen die Damen ihren Fokus auf die Versorgung der Bürger mit hochdosierten Jodtabletten. Diese können zumindest partiell gegen Radioaktivität schützen, wie die Ärztin erklärt, weil die nach der Einnahme mit Jod gesättigte Schilddrüse kein gefährliches, radioaktives Jod mehr aufnimmt. "Andernfalls wäre die Schilddrüse einer 2000 Mal größeren Strahlung ausgesetzt als alle anderen Organe", gibt Dietz zu bedenken. "Zunächst wird das radioaktive Jod eingeatmet, in den Tagen und Wochen danach mit Milch und Gemüse aufgenommen." Dann helfen die Tabletten nicht mehr. Deshalb sei es wichtig, sie einzunehmen, bevor die Strahlung das Passauer Land erreicht.

Und daran hat Halo Saibold Zweifel. Die Jodtabletten liegen in Bayern nämlich in Zentrallagern - das nächstgelegene ist im Landkreis Cham - und werden erst im Notfall verteilt. Das soll laut Behörden nicht länger als zwölf Stunden dauern. "Aber das muss erst diverse Stellen durchlaufen", sagt die Kreisrätin. Zudem sei man darauf angewiesen, dass die Kraftwerksbetreiber zeitnah warnen. Panik und Flüchtende könnten die Verteilung ebenfalls behindern.

Die Damen fordern deshalb eine dezentrale Lagerung der Tabletten oder besser: private Vorräte in den Haushalten. Das befürworten laut Dietz auch der deutsche und der bayerische Ärztetag. "In Österreich ist das üblich." Während es in Fürstenzell unmöglich sei, hochdosierte Jodtabletten zu kaufen, bekam sie in einer Schärdinger Apotheke problemlos zehn Stück für 2,75 Euro. Bleibt es bei der zentralen Lagerung, hält es Saibold zumindest für sinnvoll, die Verteilung zu üben.

Eine Schlüsselrolle bei der Verteilung käme den Feuerwehren im Landkreis zu. Die sind für den atomaren Ernstfall nicht ausgestattet, wie das Landratsamt im Mai antwortete. Nur Pocking habe zwei Kontaminationsnachweisgeräte. Das war"™s. Erst in den nächsten drei bis vier Jahren soll nachgerüstet werden. "Die vom Landrat beschriebene Situation betrachten wir als Skandal", poltert Saibold. Sie fordert wegen Temelin eine sofortige ABC-Ausbildung für die Wehren im nördlichen Landkreis und adäquate Ausrüstung.

Den Bedarf für Nachbesserungen liest sie aus dem Antwortbrief des Landrats vom Mai, denn "darin bestätigt er indirekt, dass es im Fall einer atomaren Katastrophe keinen wirksamen Schutz gibt." Am wirksamsten sei sicherlich die rasche Stilllegung aller Atomkraftwerke.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 20.07.2016
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Kategorie

Energie | Gesundheit | Umwelt

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