Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Agnieszka Brugger verteidigt Berlins Ukraine-Kurs

Grünen-MdB: „Es gibt kein Zurück mehr“ – Ex-Landesvorsitzender Eike Hallitzky fordert rasche Friedensverhandlungen

06.10.22 –

Kontrovers diskutiert haben die Grünen der Kreisverbände Passau Stadt und Land am Dienstagabend (4. Oktober 2022) im Café Duftleben die Haltung der Bundesregierung im Ukraine-Krieg. MdB Agnieszka Brugger verteidigte Berlins Kurs mit dem Festhalten an Waffenlieferungen und Wirtschaftssanktionen. Ihr Credo: „Es gibt kein Zurück mehr.“

Das bayerische Grünen-Urgestein Eike Hallitzky, bis 2021 Co-Landesvorsitzender, bekundete, ihm sei die deutsche Regierung zu leise, wenn es darum geht, Friedensverhandlungen anzustreben. Seine Forderung: „Wir müssen das stärker forcieren.“ Lieber heute als morgen muss laut Hallitzky am Verhandlungstisch Platz genommen werden.

Freilich sei Wladimir Putin seit Hitler der größte Kriegsverbrecher überhaupt, räumte Hallitzky bei der von Claudia Woller, neben Dirk Wildt Vorsitzende des Grünen-Kreisverbands Passau-Land, moderierten Veranstaltung ein. Doch wir wüssten auch, dass er eine Weltmacht hinter sich habe, „mit der er die Welt auslöschen kann.“ MdB Brugger konterte auf Basis ihrer Erkenntnis aus vielen Gesprächen mit Experten und Putin-Kennern, die alle Nein sagten, wenn es um die Möglichkeit für Verhandlungen mit Russland gehe.

Die von vereinzelten Zuhörern kritisierten Waffenlieferungen an die Ukraine schützen nach Überzeugung der Bundestagsabgeordneten, „indem sie Gebiete befreien.“ Das könne letztlich am Verhandlungstisch enden, wollte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende nicht ausschließen, die auch dem Verteidigungsausschuss angehört und stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss ist. Nur aus der Position der Stärke heraus hielt sie Gespräche mit dem russischen Aggressor für sinnvoll. „Es macht auch was mit unserer Sicherheit, wenn man jemanden wie Putin einfach gewähren lässt“, fügte Agnieszka Brugger, die aus dem Wahlkreis Ravensburg kommt und durch Monika Solomon, Vorsitzende des Grünen-Kreisverbands Passau-Stadt, begrüßt worden ist, als Mahnung hinzu.

Der bayerische Bundestagsabgeordnete Erhard Grundl aus Straubing, der in Berlin im Auswärtigen Ausschuss sitzt und zudem stellvertretendes Mitglied des Europaausschusses ist, sprang seiner Kollegin verbal zur Seite. Es sei bei der Haltung der Grünen zum Ukraine-Kurs der Bundesregierung „kein Hurra dabei“. Natürlich seien Bündnis 90/Die Grünen eine Friedenspartei, ebenso eine feministische und eine Umwelt-Partei. Doch ein größerer mächtiger Nachbar stelle nun die Lebensweise eines europäischen Staates in Frage. „Wir müssen erkennen, dass das ein Krieg ist, der auch uns meint“, erklärte der Abgeordnete. Es gehe hier um mehr als um den Schutz nationaler Grenzen.

„Das stimmt nicht“, warf Grünen-Stadtratsmitglied Karl Synek zum von Grundl geprägten Begriff der Friedenspartei ein. Deutschland sei bei allen Kriegen und Krisen mit dabei, sagte er und vertrat die Ansicht, dass es bei den Sanktionen gegen Russland um deutsche Interessen gehe, was auf Dauer dazu führe, dass das Verständnis für die Hilfen an die Ukraine abnehmen werde. „Es ist hochgefährlich, gegen eine Atommacht Krieg zu führen“, betonte Synek, dem MdB Brugger entgegnete: „Wir führen keinen Krieg.“

Die Angst vor dem Einsatz von Nuklearwaffen durch Putin versuchte die Abgeordnete zu zerstreuen. Natürlich sei dies ein Versuch des russischen Machthabers, „zu verhindern, dass wir die Ukraine unterstützen.“ China habe ein sehr großes Problem mit einem solchen Tabu-Bruch Putins, der mit dem Einstieg in einen Atomkrieg seinen restlichen Rückhalt riskieren würde. Mehr Sorgen bereite ihr der Griff zu biologischen oder Chemie-Waffen, wie beispielsweise in Syrien geschehen. Agnieszka Brugger skizzierte ihre Haltung mit Nachdruck: „Ich halte es nicht für klug, sich erpressen zu lassen.“

Es wäre vom Westen auch ein hoher Preis zu bezahlen, wenn sich künftig alle Autokraten so benehmen wie Putin, gab die Grünen-Bundespolitikerin zu bedenken. Bestärkt wurde sie an dieser Stelle durch Dr. Hanna Sarmina, die nach dem Überfall der Ukraine durch Russland aus ihrer Heimatstadt Kiew geflüchtet ist und nun als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft der Universität Passau tätig ist. Wenn die westlichen Sanktionen aufgehoben würden, wäre die Ukraine kein Endpunkt für Putin. Dann käme zum Beispiel das Baltikum, dann Polen – „und was dann?“, fragte sie in die Runde.

Je länger man Forderungen erfülle, umso länger werde die Erpressung weitergehen, warnte die Ukrainerin, die sich glücklich zeigte, ihr minderjähriges Kind aus dem Kriegsgebiet gerettet zu haben und in Passau jetzt wieder in Frieden leben zu können. Niemand habe geglaubt, dass es zu einem bewaffneten Konflikt komme, berichtete Hanna Sarmina. Doch als sie beim Blick aus dem Fenster ihrer Wohnung Panzer gesehen habe, sei ihr klar gewesen, sich auf den Weg machen zu müssen. Eine friedliche Kommunikation hält auch sie für den besten Weg aus einer Krise, „aber Putin will nicht hören“, stellte die Geflüchtete konsterniert fest.

Alle Verhandlungsangebote, auch schon vor Kriegsbeginn, habe Putin nicht angenommen, bestätigte MdB Brugger. Es werde sie weiterhin geben – „aber nicht über die Köpfe der Ukraine hinweg“, hob die Friedens- und Sicherheitspolitikerin der Grünen hervor. Dr. Hanna Sarmina plädierte für eine Fortsetzung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Sie sollten den Menschen dort zeigen, welche Auswirkungen der Krieg auf sie habe. Denn nur das Volk könne Frieden mit auf den Weg bringen, aus der Mitte heraus. „Macht, das ist das eigene Volk“, unterstrich die Kommunikationswissenschaftlerin, nach deren Überzeugung der Ukrainekrieg in den Medien nicht richtig dargestellt wird – „auf beiden Seiten, auch nicht im Westen“.

Quelle: Passauer Neue Presse vom 06.10.2022 | Foto: Karin Polz
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