Bündnis 90/Die Grünen

Landkreis Passau

Eine Frage der Gerechtigkeit

Landtags-CSU will Kommunalwahlrecht ändern – Hallitzky (Grüne) drängt auf Resolution des Kreistags – Änderung würde CSU bevorteilen

28.03.17 –

Eike Hallitzky ist sich sicher: "Die CSU will ihre Macht auf kommunaler Ebene absichern." Nur darum habe die Landtagsfraktion der Christsozialen im Maximilianeum den Antrag eingebracht, das Kommunalwahlrecht zu ändern und die Sitze in den Gemeinderäten und Kreistagen wieder nach d’Hondt zu verteilen statt nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren – wie es erst 2010 einstimmig im Landtag beschlossen wurde.

Das Problem: D’Hondt benachteiligt kleine Parteien. Die Opposition in München schäumt, wittert Machtmissbrauch. Die CSU sagt hingegen, sie wolle es lediglich extremen Strömungen erschweren, in die Kommunalparlamente einzuziehen, und eine Zersplitterung der Gremien verhindern.

Eike Hallitzky (Grüne) stemmt sich gegen die Änderung und sucht die Unterstützung seiner Kreistagskollegen: Er will, dass sie eine Resolution gegen die Wahlrechtsänderung verabschieden, denn sie wären schließlich davon betroffen: "D’Hondt führt zu Verzerrungen bei der Sitzverteilung zugunsten der großen Parteien – auch im Kreistag des Landkreises Passau." Hallitzky will an Hare-Niemeyer festhalten. Damit gebe es keine systematischen Verzerrungen, weder für kleine noch für große Parteien. Deshalb gibt es auch keinen aus demokratischer Sicht nachvollziehbaren Grund, Hare-Niemeyer durch d’Hondt zu ersetzen."

In einer ersten Reaktion erntet Eike Hallitzky viel Zustimmung in den Fraktionen des Kreistags. Die kleinste Größe im 70 Sitze umfassenden Landkreis-Parlament ist Hans Brandl, einziger Vertreter der FDP. "Ich würde nichts ändern, damit das System auch für die kleinen Parteien fair bleibt", lautet seine Meinung. Er sitzt im Kreistagsplenum als Einzelkämpfer neben sieben Fraktionen und findet die Vielfalt völlig in Ordnung: "Es gehört Farbe rein, so wie im Leben auch. Und es läuft gut im Kreistag, wir haben eine wunderbare Zusammenarbeit."

Auch Werner Mayer, Fraktionssprecher der ÜW, sieht eine Änderung des Wahlrechts kritisch: "Es gibt bereits kleine Parteien auf kommunaler Ebene, wie zum Beispiel die ÜW, denen man damit Möglichkeiten nehmen würde." Die CSU-Argumentation hinsichtlich rechtspopulistischer Parteien sieht er "als reine Schutzbehauptung", vielmehr sei der Vorstoß "ein Versuch der CSU, bestehende Kräfteverhältnisse abzusichern".

Noch deutlichere Worte findet Anita Hofbauer, Sprecherin der ÖDP im Kreistag. "Puren Machtmissbrauch", nennt sie das Vorhaben der Christsozialen im Landtag. ÖDP-Kreisrätin Agnes Becker findet, "das Vorhaben der CSU ist eine Verfälschung des Bürgerwillens, um die eigene Macht zu stärken". Zersplitterung sei auf kommunaler Ebene kein Problem, denn "wechselnde Mehrheiten und ein sachbezogener Meinungswettstreit bringen lokalpolitisch oftmals die besseren Ergebnisse", sagt Anita Hofbauer.

Die FWG stellt die drittgrößte Fraktion im Kreistag und verfolge die Diskussion "mit großem Interesse", wie Bernd Zechmann sagt. "Wir sprechen uns ganz klar für das Verfahren Hare-Niemeyer aus, da es das gerechtere Verfahren ist." Und mehr noch: "Wir gehen sogar soweit, dass wir das Verfahren Hare-Niemeyer auch für die Besetzung der Zweckverbände als verbindlich wünschen." Zechmann und seine Fraktionskollegen hoffen, "dass sich der gesamte Kreistag, einschließlich des Landrats und der CSU-Fraktion, aus Gerechtigkeitsgründen und aus Gründen einer guten Zusammenarbeit für die Beibehaltung von Hare-Niemeyer ausspricht."

Die SPD-Fraktion sieht ebenfalls keinen Änderungsbedarf, wie Sprecher Andreas Winterer erklärt. "Unsere Meinung ist, dass wir Volksparteien unsere Hausaufgaben gut erledigen sollten, dann kriegen wir auch die Stimmen, die wir uns wünschen", sagt er. Eine Änderung des Kommunalwahlrechts ist aus Winterers Sicht kein geeignetes Mittel, um einer Zersplitterung der Parlamente und einem erstarken populistischer Strömungen entgegenzuwirken: "Ich finde, das sollte man im demokratischen Wettbewerb mit den besseren Argumenten lösen."

Der Fraktionssprecher der CSU im Kreistag, Ludwig Prügl, stellt klar: "Das zukünftige Zählverfahren muss vor allem den Wählerwillen und das Wahlergebnis in der Sitzverteilung klar widerspiegeln. Es darf keinen Vorteil oder Nachteil für eine bestimmte Partei oder Wählergruppe mit sich bringen." Dabei könne aber auch Hare-Niemeyer zu Ungerechtigkeiten führen, wie er an einem Beispiel deutlich macht: "Ein CSU-Kandidat mit 28691 Stimmen kam nicht mehr in den Kreistag. Hingegen schaffte es ein Kandidat einer anderen Liste mit gut 6000 Stimmen."

Wären die Kreistagssitze bei der Wahl 2014 nach d’Hondt verteilt worden, hätte der von Prügl erwähnte CSU-Kandidat tatsächlich noch einen ergattert. Der Kandidat mit den genau 6018 Stimmen – Hans Brandl von der FDP – wäre dennoch in den Kreistag eingezogen. Dagegen hätte die BU einen Sitz weniger – und Obernzells Bürgermeister Josef Würzinger säße heute nicht im Kreistag.

Diese Rechnung ist Fraktionssprecherin Gudrun Donaubauer bekannt, trotzdem möchte sie das Thema "losgelöst von persönlicher Betroffenheit" behandeln. Sie sei überrascht von der Diskussion und sehe keine Notwendigkeit dafür. Zwar beunruhige sie die Entwicklung in einigen Ländern, doch "die Demokratie lebt von der Vielfalt, und extreme Stimmen verschwinden nicht, wenn man sie in eine außerparlamentarische Opposition verfrachtet". Im Landkreis habe man keine schlechten Erfahrungen mit Hare-Niemeyer gemacht, im Gegenteil: "Wir fahren gut mit dem System."

Quelle: Passauer Neue Presse vom 28.03.2017
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